Noch ein paar Gedanken meinerseits nach dem Feedback:
Ich hab schon beim vorbereiten am Wochenende geahnt, und dann während dem Spielen gemerkt, dass das Setting ziemlich viel Erklärungen braucht. Einerseits, damit Spieler ihre Charaktere verstehen und Situationen einschätzen können ("Warum nimmt sich nicht einfach jeder "Immune" als Tough Spot, ist doch super?", die sehr unterschiedlichen Arten von "Zombies" und Infektionsverläufen, denen man begegnen kann, etc.). Andererseits, weil viele Sachen im Setting ohne Hintergrundinformation einfach überhaupt keinen Sinn ergeben würden (z.B. Ausweisdokumente Verstorbener als Währung, alles im Arsch aber das WiFi ist top).
Das hat dann doch ziemlich in die Spielzeit gefressen, und sicher auch zum Railroading beigetragen.
A propos Reilroading: Das System sieht standardweise vor, dass man eine gewisse Zahl "Legs", also Zufallsbegegnungen am Weg zwischen Enklave und primärem Einsatzgebiet hat. Weil einen ereignislosen Trip durch den Loss gibt es halt quasi nicht, es ist immer eine signifikante Gefar, sich übder den Zaun der Enklave hinaus zu wagen. Diese "Legs" können dann profitable Gelegenheiten oder Gefahren sein, in vielen Fällen auch beides.
Es wird übrigens empfohlen, die zufällig auf einer d100 Tabelle auszuwürfeln (oder zumindest die allgemeine Art der Begegnung auf 2 d10 Tabellen), eben um die Unberechenbarkeit eines Spaziergangs durch Zombieland darzustellen. Hab ich auch gemacht: Die drahtgesicherte Hütte mit den großteils Verhungerten und der Black-Math-Kultist mit dem Flammenwerfer, der einem die Stadt rundherum anzündet, waren auf der d100 Tabelle ausgewürfelt (Nummer 58 und 51), ich hab das nur vor dem Spiel gemacht um es settingmäßig sinnvoll einbauen zu können (als unabsichtliche Resultate einer vorangegangenen Taker-Crew-Aktion).
Mehr Freiheit hat man dann normalerweise am primären Einsatzort, den ich aus Zeitgründen aber auch eher simpel gehalten habe. Und ja, ich hab auch als SL absichtlich etwas railroadingmäßig vorangetrieben, um in der vorgesehenen Zeit durchzukommen, weil unter der Arbeitswoche für einige, mich eingeschlossen - was dann ja ziemlich punktgenau funktioniert hat, aber halt verständlicherweise auch nicht alle Spieler freut.
Also vermutlich ist es wirklich kein allzu gutes Oneshot-System: Zu viel Setting-Erklärungen nötig, und die Auswirkungen vieler Handlungen (Vertragsverhandlung, wie viele meiner Ressourcen setze ich ein) sind nur in längeren Kampagnen spürbar.
Mein One-Shot war auch kürzer als ein "üblicher" Auftrag, der meist um die 4 "Legs" und dann eine längere Spielzeit am Einsatzort vorsieht - wodurch sich der Ressourcenverbrauch natürlich in Grenzen gehalten hat und man nicht plötzlich wirklich ohne Munition oder Kraft dagestenden ist. Dazu wären in einem "Standardabenteuer" auch mehr Zeit vor dem eigentlichen Auftrag vorgesehen, für die Auswahl aus mehreren Auftragsmöglichkeiten, Nachforschungen worauf man sich bei welchem wirklich einlässt und dann noch Bietwettbewerbe mit konkurrierenden Crews...
Was die Wahrscheinlichkeiten angeht: Die Designer's Notes sagen selber, dass sie 45% Erfolgswahrscheinlichkeit bei einem +1 Skill (ohne +1 versagt man automatisch ohne Optionalregeln, von denen es einen Haufen zum finetuning der Spielerfahrung gibt, auch Verhandlungssystem etc.) für ein dezitiertes Horrorsystem eigentlich noch recht hoch sind. Zumal ihr relativ selten Zusatzladungen für Wurfboni eingesetzt habt, was eigentlich auch ein Sinn ist, die Grundchancen etwas niedriger zu halten: Wenn du etwas verlässlich schaffen willst, muss es in einem "Kapitalismussimulator" halt auch was kosten!
Und wenn die Charaktere recht oft daneben hauen, muss man auch bedenken: Taker am Anfang ihrer Karriere sind nicht "die Besten der Besten" einer Enklave und ehemalige Kommandosoldaten oder so was. Das sind einfach die armen Teufel, die verzweifelt genug sind, sich (oft für Hungerlöhne) aus der Enklave rauszuwagen, in der Hoffnung, den großen Gewinn einzufahren, der sie aus ihrer miesen Situation befreit.
Was auch das Gefühl der eher mäßigen Kampfeffektivität der Charaktere erklärt: In einer Leben-oder-Tod-Situation das Stammhirn mit ein paar Schlägen auch wirklich zu treffen (weil alles andere de facto keinen Effekt hat), noch dazu, wenn man (oft) an chronischem Kalorienmangel leidet, ist halt auch nicht einfach. Vor allem, wenn man nichtmal nach Belieben vorher Schiessübungen machen kann, weil Munition halt rar und teuer ist...
Daher kommt auch die Idee, anstrengende physische Aktionen mit Rations-Ladungen erkaufen zu müssen: ausreichend Kalorien zu haben, um in einem Kampf auf Leben und Tod zu bestehen oder einfach nur schnell genug weglaufen zu können, ist im "Loss" nicht selbstverständlich.
Dass das Kampfsystem auch sehr simpel rübergekommen ist, liegt daran, dass ich auf die komplizierteren Manöver etc. verzichtet habe, auch aus Zeitgründen. Die sind gegen "Casualties" auch nicht nötig (daher nur die als Gegner) - normale Angriffswürfe, Verteidigungswürfe oder wegrennen falls nötig. Bei "Vectors" oder gar "Aberrations" wird es schon deutlich komplexer und dann bei menschlichen Gegnern erst recht, wo es ein hard-counter-System aus Cover, Flanking und Suppression fire gibt, plus natürlich Dinge wie Scharfschützen, Mörser etc.
Und wie gesagt, die Taker im One-Shot sind frisch erschaffen, die meisten haben keine Top-Ausbildung im Kampf genossen oder im Lauf der Jahre hunderte Zombies erledigt sondern einfach nur mehr schlecht als recht überlebt und sind wohl die meiste Zeit in der Enklave gesessen, und haben sich im Feld wohl öfter versteckt oder die Flucht ergriffen als sich tatsächlich auf das Risiko eines Kampfes einzulassen. Und Ausbildung ist teuer, und Geld knapp (es gibt keine XP in dem System, Steigerungen muss man um Geld und Trainingszeit kaufen - Kapitalismus pur halt).
Dass man einen dezitierten Verhandler hat, der dannd afür sonst nicht viel kann, ist für Kampagnen übrigens (bei Beginn) relativ Standard: Weil ohne guten Verhandler kann es leicht passieren, dass man mit einem Minus aus seinen Aufträgen rausgeht (man muss ja auch Upkeep zahlen für alles, oder riskieren, dass die eigene Ausrüstung kaputt wird). Man muss sich seine Chance auf Profit also dadurch erkaufen, jemanden in der Crew zu haben, der während dem Auftrag merklich weniger beisteuern kann als andere.
Wenn man in einer Kampagne aber mal in Steigerungen investiert, kann man das aber auch wieder ausgleichen: Andere können ein paar Verhandlungsskills lernen und der Verhandler eben Feld-Skills; man kann sich natürlich auch noch stärker spezialisieren, aber das wird zunehmend teurer.
In Summe bin ich aber trotz der berechtigten Kritikpunkte froh, das ich das System mal testen konnte, weil man es dann doch sehr viel besser versteht, als wenn man es nur gelesen hat. Zumindest habe ich jetzt Gewissheit, dass es eines der Systeme ist, die eine längere Kampagne und die Auswahl der richtigen Spieler benötigen, um wirlich funktionieren zu können. Dann schätze ich aber, dass es seinen Job ganz gut machen würde. Auch wenn ich nicht damit rechne, einmal so eine Kampagne zu leiten.