Beiträge von fodazd

    Ich bin zwar kein "erfahrener Kampagnenschreiber", aber hier trotzdem meine persönliche Meinung: "Dramaturgie" wird im P&P-Rollenspiel oft überbewertet. Die Handlungsfreiheit von SCs führt oft dazu, dass die "Spannungsbögen" sich komplett anders entwickeln als ursprünglich geplant. In dem Fall hat man als SL zwei Möglichkeiten:

    -> Krampfhaft versuchen, die SCs wieder dorthin zu bringen, wo sie eigentlich hin sollen.

    -> Akzeptieren, dass man im P&P-Rollenspiel nicht alles vorausplanen kann, und schauen wie sich die Geschichte weiter entwickelt.

    Ich bevorzuge eindeutig Option 2. Kommt bei Option 2 eine bessere Geschichte raus am Ende? Vermutlich nein. Ist es aus Spieler-Perspektive eine bessere Erfahrung? Definitiv. Wen interessiert's, dass die Geschichte nach klassischen "Dramaturgie"-Maßstäben nicht besonders gut ist? Es ist *unsere* Geschichte, und nicht die Geschichte von irgendeinem Kampagnenen-Autor.

    Gerade im Bezug auf Balance gibts hier zwei Spannungsfelder: Wie viel Agency haben Spieler_innen gegenüber der Spielleitung? Und wie stehen die Möglichkeiten der einzelnen Spieler_innen zueinander?


    Bezüglich Agency gegenüber der SL: Die meisten Systeme machen da nicht wirklich explizite Angaben meiner Erfahrung nach, daher ist das meistens etwas, was implizit im Rahmen der Gruppe abgeklärt wird (und oft nichtmal das). Wenn die Regeln aber explizit sagen, dass man mit bestimmten Fähigkeiten bestimmte Dinge tun kann, dann ist das in dem meisten Fällen implizit eine Form von Agency gegenüber der SL. Wie schon bei "Combat as Sports" vs. "Combat as War" besprochen bin ich nicht der Meinung, dass Agency über das Resultat von Kämpfen zwischen SL und dem Rest der Gruppe notwendigerweise balanciert sein muss. Agency gegenüber der SL bezüglich "Kontroller über den Charakter" würde ich persönlich nicht als Balance-Problem einstufen, auch wenn man das natürlich argumentieren könnte, wenn man "Balance" nochmal deutlich breiter definiert als ich.

    Agency bezüglich SCs untereinander ist halt immer heikel, weil wenn jemand die Möglichkeit hat, das Verhalten eines anderen Charakters zu bestimmen, dann schränkt das natürlich automatisch die Agency von jemand anderem ein. Auch das würde ich nicht wirklich als Balance-Problem sehen, auch wenn es ein anderes kontroverses Thema ist.



    Aber auch zwischen Spieler_innen kann die Menge an Narrative Control variieren - beispielsweise hat ein "Face"-Type Charakter mehr Einfluss in Sozialen Szenen. Dabei ist die Balance zwischen Spieler_innen dann zu hinterfragen, wenn über das gesamte Spiel betrachtet einzelne Teilnehmer_innen stark zu kurz kommen. DnD nutzt hier oft auch Niche Protection, und weißt einzelnen Klassen absichtlich ihre eigene Ecke des Spiels zu in denen sie viel Narrative Control haben - zum Beispiel der Ranger im Wilderniss Überleben.


    Persönliche Meinung von mir: Man kann auch bei narrative Control von Balance reden. Das heißt dann oft "Spotlight-Balancing". Das ist ein anderer Balance-Begriff, als der von mir hier verwendete, auch wenn wie viel "Spotlight" man kriegt natürlich dazu beitragen kann, wie interessant man das Spiel findet. Es gibt aber auch Leute, die gar keine narrative Control *wollen*, zumindest nicht mit ihrem aktuellen Charakter. In dem Fall ist es natürlich kompliziert, hier "Spotlight-Balancing" zu betreiben.

    ...Ok, auf deine Antwort hab ich beim Erstellen dieser Diskussion gewartet, Werner. :P



    Ich habe noch nie verstanden, weshalb die möglichst ausgeglichene Balance in einem System so wichtig sein soll? Gerade das oben erwähnte L5R ist ein Ausbund an Unbalance und trotzdem, oder vielleicht sogar deswegen, wird es gerne gespielt.


    Wenn die Leute nicht auf Effektivität spielen wollen, und auch kein Problem damit haben, deutlich weniger beitragen zu können als andere Gruppenmitglieder, dann braucht man Balance tatsächlich nicht. Das ist wieder mal eine Frage der Zielgruppe, die das System ansprechen will. Ich glaube aber nicht daran, dass L5R gespielt wird, *weil* es unbalanciert ist. Ich würde es mir seltsam vorstellen sich zu denken "Hey, in L5R gibt's diese eine Magieschule, die viel besser ist als alle anderen Magieschulen! Deshalb will ich jetzt L5R spielen!". Stell dir mal für einen Moment vor, dass die Phoenix-Schule immer noch ihre ganzen Spezialfähigkeiten hat, aber sie ist von der spielmechanischen Effektivität her näher an den anderen Schulen dran. Würde es immer noch Sinn machen, dass die Schule vom Hintergrund her berühmt ist? Ja, würde es. Es wäre immer noch die einzige Schule, die alle Elemente hat, inklusive ihren Void-Castern. Wäre es dann trotzdem interessanter, auch mal jemanden von einer anderen Schule zu spielen? Ja, definitiv.



    Wenn ich an Rollenspiel wie an einen Wettkampf zwischen den Spielern heran gehe ist Balance wichtig. Ansonsten ist sie nur zum Teil von Interesse. Wenn den Spielern die plausible Darstellung der Welt wichtiger ist gibt es kein Problem. Oder wenn die Spieler wissen, dass die Welt nicht ausbalanciert ist und sie trotzdem darin spielen wollen gibt es ebenfalls kein Problem. Manche Spieler wollen sogar, dass es nicht ausbalanciert ist, weil die Herausforderung steigt oder das System dadurch interessanter wird. Nicht umsonst gibt es genügend Leute, welche absichtlich recht schwache Charakterkonzepte spielen. Oftmals sind diese Charaktere sogar wesentlich schwächer als vom System vorgesehen. Ebenso gibt es Spieler, welche unbalancierte Übermenschen spielen und sich entsprechend hervortun wollen. Manchmal ist es sogar diese fehlende Balance, welche das heraus stechende Merkmal der Welt darstellt.


    Bezüglich "Ich baue mir absichtlich einen schwachen Charakter für mehr Herausforderung": Mal angenommen wir sind in einem System, das kampfschwache philosophierende Koch-Künstler erlaubt, und nicht davon ausgeht, dass alle Charaktere die selbe Kampfkraft haben müssen... Was würde in dem Fall dagegen sprechen, einfach weniger Punkte in Kampf-Skills zu stecken, um mehr Punkte wo anders zu haben? In dem Fall spielst du dann einen Charakter mit vielen Nicht-Kampf Fähigkeiten, der im Kampf aber immer noch die größere Herausforderung hat, die du erreichen willst. Die Tatsache, dass das System sicherstellt, dass Charaktere mit ungefähr gleich vielen Punkten in Kampf-Skills auch ungefähr gleich gut im Kampf sind, ist hier überhaupt kein Hindernis für dein Charakter-Konzept. Und wenn du jetzt meinst "Nein, ich will aber in *allem* schlechter sein als andere Charaktere in der Gruppe!", dann kannst du ja immer noch mit deinem jeweiligen SL absprechen, dass du mit weniger Punkten startest. Die meisten SLs dürften da nix dagegen haben vermutlich.

    Würdest du sagen, dass "fehlende Balance" ein heraus stechendes Merkmal der L5R Welt ist? Ich würde das nicht so sehen. L5R wäre in meinen Augen deutlich besser, wenn es balancierter wäre.



    Daher ist es meines Erachtens nicht die Pflicht des Systemdesigners für ein hohes Maß an Balance sondern für eine funktionierende Spielwelt und Regeln zu sorgen. Denn selbstverständlich gehört es zur den Aufgaben des des Spielleiters mit den vorhandenen Regeln seine Vorstellungen und die Wünsche der Spieler umzusetzen und wo notwendig anzupassen, zu ändern oder Regeln sogar zu ignorieren. Deshalb gibt es einen Spieleiter. Sonst könnten wir auch gleich Computerspiele oder Tabletop spielen. Dies soll jedoch keine Wertung sein, dass diese Optionen schlechter als Rollenspiel sind. Sie sind nur anders und somit für teilweise unterschiedliche Geschmäcker konzipiert.


    Du tust der Rolle des Spielleiters Unrecht, wenn du meinst man könnte gleich Computerspiele oder Tabletop spielen, wenn man als SL keine Regeln mehr anpassen muss. Als Spielleiter kann man sich Geschichten überlegen, Herausforderungen bieten, die Persönlichkeit der einzelnen Charaktere ansprechen, kreativ und spontan auf unvorhergesehene Aktionen der Spieler reagieren, und noch einiges mehr. Jeweils zugeschnitten auf die individuellen Spieler, die grade am Tisch sitzen. "Die Regeln anpassen" ist etwas, was man als SL machen *kann*, aber ich sehe überhaupt keinen Grund, warum das die zentrale Funktion der Spielleitung sein sollte. Vermutung: Die meisten SLs wären erleichtert, wenn sie sich nicht damit herumschlagen müssten, ständig die Regeln anzupassen, weil sie dann mehr Zeit und Energie auf die Dinge verwenden könnten, die sie *eigentlich* ins Spiel einbringen wollen.



    Mein Fazit ist, dass nicht die möglichst perfekte Balance das Entscheidende ist sondern, dass es innerhalb der Gruppe einen überwiegenden Konsens über das Maß der Balance im Spiel gibt. Dann können Alle Spaß am Rollenspiel haben.


    Wie gesagt: Wenn alle in der Gruppe sich einig sind, dass sie keine Balance brauchen, dann brauchen sie keine Balance. Aber:

    -> Es ist dann doch relativ unwahrscheinlich, dass sich hier alle in der Gruppe immer einig sind, vor allem wenn hin und wieder auch neue Spieler dazu kommen können.

    -> Ich glaube wie gesagt nicht, dass ein gut ausbalanciertes System den Leuten, denen Balance *nicht* wichtig ist, das Spiel verdirbt... Sofern sie nicht einen *sehr* spezifischen Geschmack haben. Und selbst dann kann der SL immer noch unterschiedliche Punkte vergeben.

    Das würde ich eher als Vorbereitungs- als als Systembalancefehler sehen...


    Ja, das sehe ich genau so. Wenn ein System davon ausgeht, dass die meisten Abenteuer sehr kampflastig sein werden, dann würde ich es zwar schon als wünschenswert ansehen, bei allen SCs ein bisschen Kampfkraft vorauszusetzen, aber man muss jetzt nicht erzwingen, dass *alle* möglichen Charakterbuilds in dem System die selbe Kampfkraft haben. Solange es genug verschiedene effektive Kämpfer-Builds zur Auswahl gibt, die alle etwa gleich gut sind, und es für den Spieler nicht unnötig schwierig ist, die zu finden, ist die Balance meiner Ansicht nach in Ordnung, auch wenn's ein paar Builds gibt, die halt weniger gut sind. Hier ist es dann meiner Meinung nach wünschenswert, Mechanismen zu haben, um eine permanente Verskillung des Charakters zu verhindern (beispielsweise indem man bereits gelernte Skills wieder verlernen kann, um die Punkte wieder frei zu machen), aber das sind dann schon Details.

    Ich will hier übrigens definitiv NICHT sagen, dass es was gutes ist, dass manche Kämpfer-Builds schwächer sind als andere. Idealerweise wären sie natürlich alle exakt gleich gut... Aber die Realität vom Systemdesign ist halt, dass man das oft ganz einfach nicht hinkriegt, und man sich mit einem "ungefähr gleich gut" wohl zufrieden geben muss. Es kann ja durchaus interessant sein, einen Kämpfer zu spielen, der *generell* weniger gut ist als die meisten anderen, dafür aber interessante Spezialfähigkeiten hat oder so. Solange man immer noch die Kämpfer-Rolle erfüllen und dabei ordentlich was beitragen kann, ist das in Ordnung aus Balance-Sicht... Auch wenn's natürlich besser wäre, wenn man dabei generell gleich gut wie andere Kämpfer-Builds ist.



    Bis dahin könnte ein System trotzdem gut balanciert gewesen sein, meiner Meinung nach, es hat eben nur einen breaking point, den man, wenn man ihn findet, entweder irgendwie ausbügeln, freiwillig ignorieren oder einfach verbieten muss, oder eben akzeptieren, dass das System seine Schuldigkeit getan hat und ein neues her muss.


    Persönliche Meinung von mir: Wie balanciert ein System ist, ist auf den ersten Blick oft nicht so ganz ersichtlich. Wenn man also eine dominante Strategie findet, dann hat man damit herausgefunden, dass das System nicht balanciert ist, und auch nie balanciert war - nur hat man das bisher halt nicht wissen können. Und ja, man *kann* dominante Strategien "freiwillig ignorieren", aber das macht halt das System nicht balanciert. Um balance herzustellen, muss man die dominante Strategie irgendwie fixen oder verbieten... Und ich persönlich bin da auch kein großer Fan von "Der SL wird schon irgendwie sicherstellen, dass die dominante Strategie nicht ganz so dominant ist".



    Hier kann man natürlich streiten, ob es im Rollenspiel die Zuständigkeit eines Systemdesigners ist...


    Persönliche Meinung von mir: Ja, es ist die Zuständigkeit des Systemdesigners, dass im System keine Exploits drin sind. Es ist zwar realistisch nicht erwartbar, dass alle Exploits schon im vorhinein gefunden und gefixed werden können, aber sobald sie bekannt sind, kann das System zu Recht als unbalanciert bezeichnet werden... Zumindest bis der Systemdesigner sich Gedanken gemacht hat, wie man diese Exploits idealerweise fixen kann, und dann die Fixes entsprechend einbaut. Im P&P halte ich die Argumentation von "Man *muss* die Exploits ja nicht verwenden!" halt für ein bisschen deplatziert, weil P&P inheränt eine "Multiplayer"-Erfahrung ist. Was wenn einer der Spieler sich stark vorkommen will und ein anderer da was dagegen hat? Im P&P sind die Regeln dazu da, eine gemeinsame Basis zu schaffen für das, was in dieser Runde gemacht werden wird, und wenn sie unerwünschte Exploits enthalten, dann erfüllen sie diese Aufgabe nicht.

    Ein Vorwort zu meinen ganzen folgenden Antworten: Balance halte ich persönlich für etwas doch relativ subjektives. Wenn man nach meiner Eingangsdefinition "Ein System ist balanciert, wenn effektives Spiel interessant ist." geht, dann kann man sich natürlich die Frage stellen "Interessant für wen?", und unterschiedliche Leute werden da unterschiedliche Antworten drauf geben, selbst wenn sie meiner Definition zustimmen würden. Alles was ich im folgenden über Balance sage kann daher nur meine persönliche Meinung sein.



    Für mich ist also Balance in einem PnPRPG dann erreicht, wenn die Geschichte, die ich erzähle, durch die Mechanik unterstützt wird. Je weniger ich an der Mechanik basteln muss, umso besser ist die Balance. Zum Beispiel in 5e beginnen meine Abenteurer auf Stufe 3 wo das Kräfteverhältnis zwischen der Welt und beginnenden Abenteurern meiner Meinung nach gut passt.


    Ich persönlich bin auch der Meinung, dass die Mechanik zur Geschichte passen sollte. Für mich ist das aber was anderes als "Balance", was man durch folgendes Beispiel verdeutlichen könnte: In legend of the five rings gibt es unterschiedliche Schulen für Magieanwender, die alle bestimmte Spezialfähigkeiten haben. Es gibt aber eine Schule, die *die* Schule für Magieanwender ist, berühmt dafür, dass ihre Leute die Besten von allen sind. Wenn du dir daher beim Charakterbau einen Magieanwender bauen willst, dann wirst du deutlich mächtiger sein, wenn du dich für diese Schule entscheidest, als für irgendeine andere Schule.

    Passt es zur Geschichte, dass Leute von dieser Schule besser sind als alle anderen? Ja, definitiv. Dafür ist diese Schule ja berühmt, also macht es aus Ingame-Sicht Sinn, dass ihre Schüler besser sind. Ist es balanciert? Nein, weil wenn Leute effektiv spielen wollen, dann werden sie niemals Schüler aus irgendeiner anderen Schule spielen. Wenn alle SC-Magieanwender *nur* aus der besten Schule kommen, und die ganzen anderen Schulen mit ihren zwar einzigartigen aber weniger mächtigen Spezialähigkeiten einfach ignoriert werden, dann halte ich das nicht wirklich für interessant... Und wenn effektives Spiel nicht interessant ist, dann ist das laut meiner Definition nicht balanciert.



    Wie man gute Balance erkennt, hab ich schon eingangs erwähnt, aber ich geh vielleicht auf meine Perspektive auf die technische Seite ein. Balance kann nur dann hergestellt werden, wenn die Geschichte und Erzählung das auch unterstützen. Wenn Orks unzerstörbare Super-Mutanten sind und ich kann sie als Spieler Scharenweise ausmerzen, na ja, da brauch ich nicht an den Werten herumschrauben, das wird sich nie balanciert anfühlen. Es ist vielleicht im Spielsystem ausgeglichen, aber das ist für mich keine Balance. Zumindest nicht im PnPRPG, im Wargaming schaut das natürlich anders aus.


    Vermutung: Einer der Gründe, warum so viele Leute *gegen* Balance im P&P argumentieren (auch wenn das in diesem Thread jetzt noch niemand gemacht hat), ist genau deswegen: "Balance" wird als etwas gesehen, was die Stimmung der Welt kaputt macht, weil Dinge numerisch gleichwertig gemacht werden, die es vom Hintergrund her nicht sein sollten. Ich persönlich bin auch der Meinung, dass man den Hintergrund möglichst gut abbilden sollte, und bei NSCs sollte man sich da auch nicht von "Balance" abhalten lassen. Bei den Spielercharakteren bin ich aber der Meinung, dass sie bei gleicher Erfahrung auch tatsächlich numerisch gleichwertig sein sollten, wenn nötig auch auf Kosten der Hintergrund-Plausibilität.



    Ich würde Balance in Rollenspielregeln so sehen, dass jeder mögliche Charakterbuild über den Gesamtverlauf einer typischen Kampagne, für die das Speilsystem ausgelegt wurde (oder eines Spielabends, wenn das System auf one-shots abzielt), ähnlich viel zum Ergebnis beitragen kann.


    Mit so einer ähnlichen Definition habe ich auch lange Zeit gearbeitet, und ich bin immer noch der Meinung, dass das der *wichtigste* Teilbereich von Balance im P&P-Rollenspiel ist: Unterschiedliche Charakterbuilds sollten (auch wenn man auf Effektivität spielen will) jeweils signifikant etwas beitragen können. Meine Definition im Eingangspost ist ein bisschen anders: Es inkludiert immer noch die Implikation, dass verschiedene Charakterbuilds aus Effektivitäts-Sicht viable sein sollten, weil wenn alle immer nur den selben Build spielen, dann wäre das ja fad und damit uninteressant.

    ...Andererseits verlangt diese neue Definition aber auch nicht, dass *jeder* Build gleich viel beitragen können muss. Wenn man in einer sehr Kampf-lastigen Runde alle seine Punkte in Kunst, Philosophie und Kochen steckt, dann hat man zwar vielleicht einen sehr interessanten Charakter, aber es wird nicht erwartet, dass dieser Charakter das selbe zum Ergebnis beitragen kann wie ein Kämpfer, damit das System "balanciert" sein darf. Das System ist balanciert, wenn Leute, die auf Effektivität spielen wollen, eine Auswahl aus ausreichend vielen interessanten Builds vorfinden, die alle viable sind. Wenn auch der künstlerisch begabte Philosophen-Koch irgendwie viable ist in dem System, dann super, aber ich glaube es ist vom System-designer dann doch ein bisschen viel verlangt, das *vorauszusetzen* als Kriterium, damit das System als balanciert gelten darf. Weil die realistische Alternative ist, dass der Systemdesigner dann her geht und fixe getrennte Punkte-Budgets für "Kampf-Fähigkeiten" und "Nicht-Kampf-Fähigkeiten" vergibt, um "Balance" sicherzustellen, und ich persönlich bin dann halt irgendwann zu der Ansicht gekommen, dass das halt doch eine ziemliche Einschränkung ist für die Charakterkonzepte und Hintergründe, die in diesem System potentiell dargestellt werden können... Wobei ich mir an diesem Punkt selber noch nicht so ganz sicher bin, also ftzk.

    Mit meiner Definition muss man sich auch nicht lange mit "Aber es hängt doch stark vom Abenteuer ab, wie effektiv diese ganzen Fähigkeiten sind?" herumschlagen. Solange die Fähigkeit von einem playing to win Spieler als nützlich genug zum Lernen erachtet wird, trägt sie zur Vielfalt der Charakterbuilds des Systems und damit zu dessen "Interessantheit" bei. Wie oft sie dann tatsächlich angewendet wird, hat dann nix mehr mit der Balance vom System zu tun, sondern mit dem SL der konkreten Runde. Es kann übrigens durchaus der Fall sein, dass sehr mächtige und nützliche Fähigkeiten niemals tatsächlich zum Einsatz kommen: Wenn man unsichtbares sehen kann (und das auch bekannt ist), dann werden sich Gegner wohl nicht die Mühe machen, Unsichtbarkeit gegen die Gruppe zu verwenden. Es könnte daher der Eindruck entstehen, dass "Unsichtbares sehen" eine nutzlose Fähigkeit ist, weil sie ja nie zum Einsatz kommt. Würde ich als playing to win Spieler diese Fähigkeit trotzdem lernen? Absolut. Nicht ohne Gegenmaßnahmen gegen unsichtbare Gegner kämpfen zu müssen ist *verdammt* viel wert. Das ist die Art von Fähigkeit, die man lernt, um sie *nicht* anwenden zu müssen. :P

    Es gibt noch einen weiteren Punkt, der für meine Definition relevant ist: Gehen wir mal davon aus, wir haben eine Gruppe bestehend aus einem Waldläufer, einem Alchemisten, einem Magier und einem Dieb. Diese Gruppe hat erkannt, dass sie so gut wie alle Kämpfe gewinnen oder umgehen kann, indem sie den Gegnern einfach vorher Abführmittel ins Essen mischen. Der Waldläufer sammelt die Zutaten, der Alchemist stellt daraus das Mittel her, der Magier castet Invisibility auf den Dieb, und der Dieb schleicht sich dann in's Lager der Gegner und mischt es ihnen ins Essen. Mit dieser Strategie hat die Gruppe konsistenten Erfolg bei all ihren Vorhaben, die normalerweise Kämpfe erfordern würden... Weil laut den den Regeln gibt's nicht viel, was die meisten Gegner dagegen tun können. Und jetzt stellen wir uns die Frage: Ist dieses System balanciert? Jeder Charakter in der Gruppe hat einen sehr unterschiedlichen Build, und trägt trotzdem signifikant zum Erfolg bei. Andererseits: Wenn man mit dieser Strategie garantiert alle Kämpfe gewinnen oder umgehen kann, dann ist es nicht mehr wirklich interessant, oder? Persönliche Meinung von mir: Die Abführmittel-Strategie ist zu ovepowered, und daher ist das System nicht balanciert, auch wenn viele verscheidene Charakterbuilds viable sind.

    Ich denke, das hängt stark vom System ab. Bei D&D5 sehe ich das z.B. nicht so, da hier aufgrund der Klassen stark vorgegeben ist, wie sich die Charaktere entwickeln und es hier wenige Entscheidungen zu treffen gibt. Und die Entscheidungen, die man treffen kann, sind alle recht gleichwertig. Und für die Magic Items gibt es (wenn man sich daran halten mag) offizielle Empfehlungen dazu, wie viele Magic Items ein Char auf welchem Level haben sollte.

    Bei anderen Systemen (DSA4) sehe ich das aber ähnlich wie du. Und da ist es meiner Meinung nach einfach eine Frage des Spieldesigns, ob ein System wert darauf legt, dass die Charaktere ungefähr gleich stark sind, oder ob es eher mehr Entscheidungsmöglichkeiten und einen realistischeren Ansatz bieten möchte. Ich bevorzuge tendenziell ersteres, da ich mich sonst in der Zwickmühle finde, einen Charakter entweder so zu bauen, wie ich ihn mir vorstelle oder so, wie er effektiv ist. Sind alle Optionen gleichwertig, kann ich einfach das wählen, was besser passt.


    Das sehe ich genau so. DSA4 ist kein balanciertes System, im Sinn von es verkraftet es nicht, wenn Leute das Charakterbau-System voll ausreizen. Ein neu gebauter DSA4-Charakter der properly minmaxed ist kann deutlich mächtiger sein als ein jahrelang gespielter Charakter der beim Bauen halt *nicht* geminmaxed wurde... Und dementsprechend ist man in DSA4 ständig in dieser beschriebenen Zwickmühle, wenn man sich einen neuen Charakter baut.

    Und ja, nur weil ein System "narrativ" ist, heißt das nicht, dass Kämpfe nicht relevant sind. Aber man könnte in diesen Systemen vermutlich die "Combat as Sports" vs. "Combat as War" Diskussion nicht auf die selbe Art und Weise führen wie in DSA oder D&D.


    Ich finde das weder gut noch schlecht.
    Das liegt schon alleine daran das in PnP oft gar nicht zwingend gekämpft werden muss. Zum Beispiel weil die Truppe von Ogern mit einem starken Abführmittel ausgeschaltet wurden. Das tolle an PnP ist ja das man in 90% aller Fälle nicht zwingend kämpfen muss sondern auch andere Lösungen suchen kann. Das spielt dann Balance auch keine Rolle mehr.

    Also prinzipiell, einfach durch die Fülle an Möglichkeiten die es im PnP gibt, vor allem bei kreativen Charakteren, kann man sagen das es in PnP keine Balance gibt wenn man es nicht wie ein Brettspiel spielt.


    Persönliche Meinung von mir: Balance spielt auch außerhalb vom Kampf eine große Rolle. Wenn du eine Fähigkeit hast, die dir erlaubt, alles zu kriegen für was du normalerweise kämpfen müsstest, ohne tatsächlich kämpfen zu müssen (mit starker und relativ breit einsetzbarer Beherrschungs- oder Illusionsmagie zum Beispiel), dann ist diese Fähigkeit höher zu bewerten als die meisten Kampf-Fähigkeiten. Die Frage ist dann: Funktionieren die Abführmittel verlässlich und reproduzierbar? Wenn ja, dann werden Kampf-Fähigkeiten dadurch natürlich weniger wert als Fähigkeiten, um die Abführmittel zu bekommen und zu verabreichen.

    Ich würde behaupten im PnP (sofern man es nicht total brettspielmäßig spielt endet das Balancing spätestens nach einigen Sitzungen würde ich behaupten.
    Zwar kann die Balance für Startcharaktere gegeben sein und auch über Erfahrungspunkte kann das noch funktionieren (wenn man es denn schafft alles ausbalancieren). Aber die Balance endet dann halt an erarbeiteten Errungenschaften im Spiel. Das kann ein magisches Schwert sein oder eine seltsame Fähigkeit die der SL vergibt oder simpel daran das die Spieler völlig andere Schwerpunkte beim verteilen der EP legen.


    Ok, ich habe Fragen:

    -> Ist es gut oder schlecht, wenn unterschiedliche Spieler sehr unterschiedlich effektive Charaktere haben, weil sie ihre EP unterschiedlich verteilt haben?

    -> Ist es gut oder schlecht, wenn manche Spieler overpowerte magische Schwerter kriegen und andere kriegen nix vergleichbares?


    Persönliche Meinung von mir: In beiden Fällen ist das eher schlecht... Wobei ich mich bei den overpowerten magischen Schwertern vielleicht noch überzeugen lasse, mit einer ähnlichen Logik wie bei Combat as War: Ja, es ist mächtig. Daher wollen andere Leute es auch haben und machen dir deswegen Probleme und versuchen es dir wegzunehmen, und du als Spieler musst schauen, wie du sie daran hinderst.

    ...Und ja, bei den EP kann man argumentieren, dass wenn jemand die Punkte in Nicht-Kampf Zeugs steckt, dann natürlich auch nicht so gut im Kampf ist, was ja auch Sinn macht. Es sollte dann halt zumindest argumentierbar sein, dass diesen Nicht-Kampf-Fähigkeiten eine ähnliche Bedeutung zukommt wie den Kampf-Fähigkeiten. Und wenn zwei Charaktere gleich viele Punkte in Kampf-Fähigkeiten haben, dann sollten sie auch ungefähr gleich gut im Kampf sein.

    ...Ok, "Combat as Sport" vs. "Combat as War" ist einer von den Kontexten, wo meine oben gespostete Definition von "Balance" nicht wirklich Sinn macht. Nur weil die Encounters in "Combat as War" nicht "balanciert" sind, heißt das nämlich nicht, dass sie keinen Spaß machen. Im Bereich der Encounter bin ich also durchaus der Meinung, dass sie NICHT unbedingt balanciert sein müssen, entgegen meiner obigen Ansage, dass ich hier Balance im P&P verteidigen würde... ^^'


    Ich stimme zu, dass "Combat as Sport" und "Combat as War" beides valide Ansätze sind, und ich spiele auch selber beides gern, auch wenn es natürlich unterschiedliche Stile sind. Die Unterschiede sind halt nicht so ausgeprägt wie zwischen diesen beiden und einem sehr stark narrativen oder immersiven Stil, wo "Combat" an sich schon keine hohe Priorität hat.

    Hallo.


    Weil wir hier mal kontroverse Diskussionen anfangen sollten: Balance. Mögliche Fragen, über die man ewig diskutieren könnte:

    -> Was ist Balance überhaupt?

    -> Ist es wünschenswert, dass ein System gute Balance hat?

    -> Wenn ja: Wie erkennt man gute Balance?

    -> Inwiefern kann man im P&P überhaupt von Balance reden so wie in kompetitiven Spielen?



    Meiner persönlichen Antworten:


    Was ist Balance überhaupt?

    ...Das hängt meiner Ansicht nach vom Kontext ab. Meistens würde ich aber folgende Definition nehmen: "Ein System ist balanciert, wenn effektives Spiel interessant ist.". Sprich: Das System hält es aus und macht Spaß, wenn Leute es mit einer minmaxing playing to win Mentalität spielen.


    Ist es wünschenswert, dass ein System gute Balance hat?

    Ja. Eines der typischen Gegenargumente ist, dass Balancing in Konflikt mit Realismus und/oder Story steht. Und das stimmt auch, zumindest manchmal. Ich würde trotzdem ein gut gebalanctes System einem realistischen und/oder narrativen System vorziehen.


    Wie erkennt man gute Balance?

    Spiel das System mit Leuten, die gut im minmaxen sind, die Regeln halbwegs kennen, und sich nicht zurückhalten würden, alle Exploits die sie finden voll auszunutzen. Dann probier aus, ob es immer noch Spaß macht.


    Inwiefern kann man im P&P überhaupt von Balance reden so wie in kompetitiven Spielen?

    ...Heißt's nicht, dass es im Rollenspiel nicht um's Gewinnen geht? Je nach Spielstil ist das vollkommen richtig. Aber in denjenigen Runden, wo nicht schon von vornherein feststeht, dass die SCs ihre Aufgaben bestehen werden, weil der SL es halt je nach Story entsprechend einfädeln wird (oder wo von vornherein feststeht, dass sie NICHT bestehen werden, weil es Horror ist zum Beispiel), geht es sehr wohl um's Gewinnen, zumindest teilweise. Und man kann durch seine Entscheidungen als Spieler beeinflussen, wie gut die Chancen der Gruppe sind. Balance im P&P ist aber nicht wie in kompetitiven Spielen nur davon abhängig, wie groß die Wahrscheinlichkeit zum Gewinnen ist, sondern auch wie viel man mit dem eigenen Charakter dazu beitragen kann.



    ...Soweit von mir. Was sind eure Meinungen zu dem Thema? Ich stehe bereit um gegen euch zu argumentieren, wenn ihr meint Balance im P&P braucht keiner. :P

    1. Will die Welt beherrschen, weil alle anderen Herrscher einfach viel zu inkompetent für den Job sind.
    2. Will die Welt beherrschen, weil es angeblich per göttlichem Willen so vorherbestimmt ist.
    3. Will die Welt beherrschen, weil warum denn nicht? Hat ja nix besseres zu tun, und sonst wär's ja fad...

    Ok, ich hab hier ja auch noch nix geposted, also hier von mir mal ein paar Vorschläge:

    -> "I have altered the deal": Du leitest ein bekanntes System, aber nur mit einer umfangreichen Sammlung deiner persönlichen Hausregeln.

    -> "Weltenbastler": Du hast mindestens ein eigenes Rollenspiel-Setting geschrieben.

    -> "System does matter": Du hast mindestens ein eigenes Rollenspiel-System geschrieben.

    -> "Off the rails": Deine Aktionen als Spieler haben dazu geführt, dass der Plot sich komplett anders entwickelt hat, als der Spielleiter es ursprünglich geplant hätte.

    -> "Death before dishonor": Einer deiner Charaktere ist am konsequenten Ausspielen eines Ehrenkodex verstorben.

    Was ist das ethische Grundprinzip des Sadisten-Clubs? "Solange du jemandem schadest, tu was du willst."



    Insider für Leute, die 20 Arcana gespielt haben:

    Wir reden über ein mögliches sci-fi dystopia Setting, das viele, viele Jahre nach 20 Arcana spielt, und wir wollen festlegen, wie Daigo gestorben ist. In Anlehnung an ein gewisses anderes Setting wurden 3 Neutronenbomben auf ihn draufgeworfen... Aber er hat sie überlebt. Als er dann grade dabei war, aus dem Krater rauszukriechen, hört er ein paar Agenten, wie sie drüber reden dass er das *garantiert* nicht überlebt haben kann, und sie jetzt einfach nur mehr ein paar Erinnerungen und Aufzeichnungen von ihm löschen müssen um so zu tun, als hätte er nie existiert. Daigo denkt sich: "Moment, aber wenn sie das machen, wie sollen die Leute dann noch wissen, dass ich Daigo bin?". Daraufhin hört er auf, zu existieren.