GURPS ONE SHOTS - Deconstructed

  • Ich arbeite gerade an einer meiner geplanten 18 Szenarien die ich als Season One meiner GURPS One Shot Serie bezeichne. Und dabei tun sich Dinge über die ich gerne reden wollen würde...

    Jene die mich kennen, wissen, dass ich endlos Quasseln kann. Stundenmonologe. Das liegt vorwiegend daran, dass ich mich gerne selbst reden höre. Aber nicht wie die meisten annehmen würden wegen meines Egos, ganz im Gegenteil. Ich selbst habe von nichts eine Ahnung. Mein Hirn schon. Und es ist das Hirn dass das reden übernimmt und ich sitze dabei und hör zu und versuche was zu lernen. Ich nehme an, das ganze hat was mit dieser Serotoninstörung zu tun, aber das tut hier nichts zur Sache...
    Wenn ich über Dinge rede, mache ich sie mir selbst deutlich und bewusst und das hilft dann mit dem Prozessieren der Information. Wie ein zweiter Waschgang.

    Da ich im Moment alleine bin, und Selbstgespraeche meist ohne viel Diskussion verlaufen, bieten sie nicht den gleichen Wert wie ein tatsächliches Gespräch, wo die Reaktionen des Gegenüber meinen Mangel an sozialer Reaktionsfähigkeit durch die Reflexion komplimentiert.
    Nun ist das geschriebene Word kein freier spontaner Dialog, aber es ist dennoch reflektiv, weil es einer Konstante unterliegt, dass bei einem Gespräch nicht erreicht werden kann - selbst wenn man es aufnehmen würde.

    Wie auch immer... langer Einleitung, kurzer Sinn ist, dass ich hier so ein wenig darüber schreiben möchte was ich tue... also im Sinne vom Design der GURPS One Shot Serie.
    Warum?
    Habe ich das nicht eben erklärt? Ok, es geht auch darum ein wenig Einsicht in diverse Ideen und Methoden zu offerieren, die ich bei der Abenteuergestaltung benutze. Vielleicht mache ich dazu auch mal ein paar Videos.

    Was mache ich, dass so außergewöhnlich ist? Nichts! Ich bin mir sicher viele von diesen Ideen gibt es anderswo, und das was ich tue ich nicht notwendigerweise anders oder besser, aber ich kenne nur wenige Quellen wo man die Gedankengänge dahinter einsehen kann. Das will ich hier anbieten. Spoiler-frei, hoffe ich.

    Was ich tue, tue ich vorwiegend um zu sehen ob es geht. Ich habe 18 verschiedene Szenarien, vorwiegend kurze One Shots, die ich meistern werde. Alle 18 Szenarien sind von mir erdacht und gebaut. Ich mache zu jedem Szenario mindestens ein Dokument mit Hintergrund Info, und eines mit einem Katalog an vorgefertigten Spieler Charakteren (GURPS ist ein tolles System zum meistern/spielen, aber Charakterbau dauert lange... sehr lange). Dazu gibt es dann noch eine Menge an GM Information, Timeline, Hintergrund, Szenen, Plot Hooks, NPCs etc. Ich erstelle auch eine Menge an Bildern um das ganze ein wenig visuell darzustellen. Halt alles das, was man sich von einem fertigen Abenteuer erwarten würde.
    Ich versuche dabei die Szenarien vielfältig und divers zu gestalten. Sowohl vom Setting und Genre, aber auch Ton und Spielweise. Und da gibt es dann noch die Spielmechanik.
    Und das ist das von dem ich hier insbesondere schreiben will, weil ich es für ganz besonders spannend finde und es auch nicht so üblich ist in normalen Kampagnen.

    Was ist die Spielmechanik? Ich rede nicht vom Regelwerk selbst (in diesem Fall GURPS - obwohl es den Prozess mit seiner Universalität einfacher macht), sondern von den Mechaniken des Abenteuers.
    Lass mich erklären.

    Vorab möchte ich klarstellen, dass dies nichts ist, dass in einem RP notwendig ist. Man kann unzählige gute Kampagnen spielen ohne je eine Spielmechanik einzubauen und das ist gut so. Aber eine Spielmechanik einbauen kann das Spiel auch bereichern.

    Was ist nun so eine Spielmechanik? Etwas, dass man dem Spiel hinzufügt und damit eine zusätzliche Spielebene erschafft.

    Ich werde hier kurz das One Shot "Frozen Wake" als Beispiel heranziehen. Das Szenario ist ein Überlebens-Spiel. Nach einer Notlandung ist man auf einem Eisplaneten gefangen und versucht weg zu kommen, und bis dahin zu überleben. Ich habe hierzu eine Spielmechanik erstellt, wo durch Zufall eine Startposition festgelegt wird, dabei werden dynamisch diverse Faktoren eruiert (Vorräte, Scanner Daten, Zeit etc.), und sogar eine von sechs verschiedenen Karten gewählt. Die Karte besteht aus 6x12 Feldern, die es nun zu überwinden gilt.
    Die Mechanik ist eigentlich recht einfach, aber erlaubt für eine enorm hohe wiederholte spielbarkeit des Szenarios. Selbst wenn man es schon mal gespielt hat, alleine durch den ersten Würfelwurf wird eine von 216 Permutationen gewählt, und von jeder dieser lassen sich unzählige Pfade wählen.
    Das Prinzip dahinter ist klassischen Solo-RP Abenteuern nicht unüblich - ich meine jene, wie Lone Wolf etwa, wo man durch ein Buch liest; wo jeder Absatz eine Nummer hat und Entscheidungen und Zufälle zu anderen Nummer führen. Nur dass wir das in diesem Fall hier mit den verschiedenen Feldern auf der Karte tun. Auf jeder Karte gibt es unterschiedliche Wege die genommen werden können, die einzelnen Kartenfelder sind immer anders verteilt, erlauben in bestimmte Richtungen zu gehen und sind auch dynamisch im Inhalt, abhängig davon in welcher Phase des Spiels dieses Feld besucht wird. Hinzu kommen Zeit- und Resoucenmanagment, eine Phasen-Mechanik und so weiter (nichts zu kompliziertes).
    Es ist damit nicht nur ein Rollenspiel, sondern auch ein Überlebens-Simulator.

    Warum der Aufwand? Das hat mehrerer Gründe. Einerseits macht es mir Spass mit unterschiedliche Sachen für die verschiedenen Szenarien auszudenken. Ich möchte, dass jedes eine eigene Erfahrung ist und nicht "nur eine Session GURPS". Zweitens erzeugt ein Mehraufwand auch einen Mehrwert - für mich als GM. Ich invertiere Zeit und Ideen, also ist es mir auch mehr wert. Gutes Spielermaterial und neue Erfahrungen sind Mehrwert für Spieler. Es erlaubt mir das Szenario mehrere male zu meistern, ohne dass es mir langweilig wird. Und last but not least möchte ich die Module dann Open Source für andere veröffentlichen. Ich möchte andere inspirieren mehr Vielfalt und Ideen in ihr Spiel zu bringen und gleichzeitig einfach nur coole fertige GURPS One Shot Module in die Welt frei zu lassen, in der Hoffnung, dass GURPS mehr gespielt wird...

    Ich habe noch ein paar andere Spielmechaniken die ich für andere Szenarien erdacht habe. Lasst mich wissen ob ich davon mehr erzählen soll.
    Kommentiert, teilt eure Erfahrungen. Habt ihr auch schon mal eine Spielmechanik eingebaut? Derzeit gibt es im Verein mindestens ein Spiel wo eine Spielmechanik und eine coole physikalische 3D Karte benutzt wird. Kann sogar sein, dass das den Anstoß gegeben hat, dass ich bei mir solche Sachen einbaue (obwohl, wie gesagt, ist ja alles nicht neu)...

    Danke fürs lesen

  • Danke fürs Teilen!

    Ich spiele sehr gerne PbtA-Systeme. Dort ist es durchaus üblich, das SLs (oder auch Spieler:innen!) eigene Spielmechaniken entwickeln, wobei sie bei PbtA nicht Spielmechaniken, sondern Moves oder Spielzüge genannt werden. Der Unterschied ist unter anderem, dass die Spielzüge bei PbtA nicht dazu dienen, etwas zu simulieren (wie in deinem Beispiel oder auch wie bei klassischen Zufallstabellen), sondern dass sie narrativ auf Ebene der Erzählung ansetzen. Manche Systeme erlauben es sogar dass die Spieler:innen Erfahrungspunkte ausgeben, um für ihre Charaktere einen eigenen Spielzug zu schreiben. Daneben können Spielzüge z.B. für besondere Orte oder Gegenstände geschrieben werden, um diesen mehr Bedeutung im Spiel zu geben. Hier ist als Beispiel ein Spielzug, den ich für ein Mythos World Abenteuer geschrieben habe, das Anfang den 20. Jahrhunderts in Wien spielt (ich hoffe, man versteht ihn anhand meiner Notizen, auch wenn man Mythos World nicht kennt):


    Etablissement Luziwuzi (Subversives, Queeres Lokal, nur über die Kanalisation erreichbar, Opiumhöhle. Hier wird heimlich ein Getränk konsumiert, mit dem Leute in die Traumlande reisen).

    Spielzug: Das Luziwuzi aufsuchen

    Wenn du das Luziwuzi aufsuchst, würfle +EM.

    Bei einer 10+ wirst du in die Gemeinschaft aufgenommen. Bei einer 7-9 wird dir nur wenige Stunden Gastfreundschaft gewährt - wähle 1:

    • Du machst eine interessante Bekanntschaft
    • Dir wird eine interessante Substanz angeboten
    • Senke eine temporäre Geistesstörung um 1
    • Du erlangst eine wichtige Information

    Wenn du das Luziwuzi verlässt, wähle 1:

    • Dir fehlt ein wichtiger Gegenstand
    • Du kannst dich nicht erinnern, was im Luziwuzi passiert ist
    • Du gerätst in eine gefährliche Situation
    • Beim Rückweg durch die Kanalisation ziehst du dir eine Krankheit zu
  • Vorbereitungsmäßig bin ich das absolute Gegenteil. Ich bereite eigentlich wenig bis gar nicht vor, und gehe meistens bestenfalls mit einer vagen Plot-Idee ans Leiten. Aus drei Gründen:

    • Ich bin faul, und es ist mir oft zu mühsam.
    • Ich hätte gar nicht die Zeit, alle Runden, die ich leite, auch nur halbwegs ausführlich vorzubereiten.
    • Das Improvisieren ist eigentlich das, was mir am Spielleiten am meisten Spaß macht. Wenn ich zu viel vorbereite, und dann großteils nur "runterspule", nimmt mir das selber Spaß.


    Dementsprechend bin ich halt normalerweise auch ohne Handouts etc. unterwegs, und leite rein "Theatre-of-the-mind".

    Klar kann das ein Abstrich für Spieler sein, vor allem solche, die stärker visuell geprägt sind (ich selbst bin fast voll auf der abstrakten Seite, ich hab beim Spielen z.B. auch nie "Bilder im Kopf", sondern nur Konzepte). Aber die meisten meiner Spieler scheinen das auch nicht allzu sehr zu vermissen (oder wenn, sparen sie mit Feedback - selber schuld...).


    Ich bevorzuge allgemein einfachere Regelsysteme, vor allem, was Charakterbau angeht, damit man da auch vor einer Runde was zusammenbasteln kann. Ich habe auch gelegentlich vorgefertigte Charaktere verwendet (vor allem bei "RPG Schatzkiste"-Runden), aber da sitz ich dann den größeren Teil eines Tages, die vorzubereiten, und dann werden sie kaum einmal wiederverwertet. Und die meisten Spieler bevozugen ohnehin selbst gebaute Charaktere, ganz besonders, wenn man den mehr als nur einen Abend spielt.

    Einfachere Regelsysteme haben auch den Vorteil, dass man leichter rundenspezifische Spielmechaniken hinzufügen kann, ohne, dass sich die allzu sehr mit bestehenden Regeln in die Quere kommen. Oder ungewollte, absurd overpowerte Synergien ergeben. Und vor allem wird auch die Abwicklung am Spieltisch nicht groß verlangsamt, wenn man was hinzufügt, solange der Regelkern einfach genug ist. Etwas, was mir persönlich auch recht wichtig ist.

    Eigentlich baut die ganze OSR-Philosophie auf dieser Idee auf. Ich bin zwar persönlich von den Regeln her kein großer Fan von Old-School-D&D (etwas entferntere Ableger wie Knave sind mir da deutlich lieber als die puristischeren Derivate), aber die Philosophie deckt sich ganz gut mit der, mit der ich an die meisten Runden herangehe (für manche Kampagnen weiche ich aber auch einmal grob davon ab): Einfache Regeln, die schnell von der Hand gehen, schnell gebaute Charaktere, und füge dann (wenn nötig spontan) an Spielmechaniken dazu, was du gerade für deine Runde brauchst.


    Bis zu einem gewissen Grad kann man ein simulationistischeres System (für narrative gilt das weniger) sowieso kaum meistern, ohne Spielmechaniken hinzuzufügen, weil man halt fast immer was brauchen wird, was etwas über die Grundregeln hinausgeht, wenn man nicht gerade plot-mäßig banale Runden wie reines Dungeon-Hack-and-Slay (in einem dafür vorgesehenen System) leitet. Selbst, wenn es schon sehr viele Grundregeln gibt, wie bei GURPS oder Splittermond.


    Sogar, wenn ich Splittermond-Abenteuer zum Veröffentlichen schreibe, muss ich mir immer überlegen: "Wie handhabe ich Situation X/Y am besten, weil das in den Grundregeln nicht eindeutig, gar nicht, oder nur in viel zu aufwändiger Form vorkommt."

    Mein letztes veröffentlichtes Abenteuer basiert sogar ganz grundlegend auf einer neu davon erfundenen Regelmechanik (die mir die Regelredaktion dankenswerter Weise hat durchgehen lassen). Weil es eine Jagd durch die Wildnis darstellt, cinematisch-ausschnitthaft dargestellt mit mehreren Action-/Kampf-Szenen, aber gleichzeitig möglichst an einem längeren Abend spielbar sein sollte (außerdem stellt meine Mechanik auch die Zermürbung der Expedition durch die ganzen Strapazen dar). Was mit Splittermond-Kampf-Regeln einfach nicht zu machen ist, da dauert selbst ein einfaches Zwischendurch-Geplänkel sofort einmal anderthalb Stunden (ich habe sogar eine Alternativ-Variante mit Standard-Regeln geschrieben, falls jemandem das lieber wäre, aber da würde ich eher 3 Spielabende statt einem längeren einplanen).

    Einmal editiert, zuletzt von Smirg ()