Comic book time vs. Ingame Kalender

  • Hallo.


    Ich beginne jetzt langsam wieder in Frage zu stellen, ob comic book time für Vereinsrunden wirklich die optimale Lösung ist. Für diejenigen, die den Begriff noch nicht kennen: Comic book time heißt einfach, dass man das Verstreichen von Zeit in der Spielwelt ungefähr so handhabt wie die meisten episodischen Serien oder eben Comic-Bücher: Man macht sich einfach keine besonders großen Gedanken darüber, und man legt auch nicht fest, wie viel Zeit zwischen zwei Abenteuern jetzt genau vergangen ist. Das hat für eine Vereinsrunde gleich mehrere sehr große Vorteile:
    -> Man muss sich nicht so genau überlegen, was die Charaktere zwischen 2 Abenteuern gemacht haben (und ob das auch eh alles gleich lang gedauert hat). Besonders bei wechselnden Spielern ist es ein *Alptraum*, das alles berücksichtigen zu wollen, vor allem wenn die eine Session Ingame 2 Tage dauert und die nächste 2 Monate.
    -> Man kann wichtige Ingame-Ereignisse und Termine als Spielleiter einfach so festlegen, wie man es grade braucht, anstatt an den Ingame-Kalender gebunden zu sein.
    -> In größeren Welten (DSA, Splittermond) muss man sich nicht mit Reisezeiten herumschlagen, wenn 2 Vereins-Spontanabenteuer an gegenüberliegenden Enden der Welt spielen.
    -> In Systemen mit mehreren Spielleitern funktioniert die Absprache zwischen verschiedenen SLs deutlich einfacher, weil meistens gar nicht erforderlich.
    -> Die Charaktere starten jedes neue Abenteuer mit vollen Resourcen. Wenn man am Ende vom letzten Abenteuer nur noch am Zahnfleisch dahergekrochen ist, dann beeinträchtigt das also nicht auch noch das nächste Abenteuer negativ.
    -> Man muss sich keine Gedanken über das steigende Alter der Charaktere und NSCs machen. Vor allem bei sehr langfristigen Runden wie der 20 Arcana (wo die Charaktere auch noch permanent Highschool-Schüler bleiben sollen) wäre ein konsistenter Ingame-Kalender *schlecht*. Bei wechselnden Spielern hat man da eventuell auch das Problem von "Ach ja, dein Charakter ist jetzt 3 Jahre älter geworden, während du nicht da warst (XP gibt's keine).".


    ...Aber auf der anderen Seite gibt es auch Dinge, die mit comic book time ganz einfach nicht funktionieren, und für die ein Ingame Kalender besser wäre:
    -> So ziemlich alles was die Charaktere machen könnten, und was einfach viel Zeit braucht. Wenn man mit comic book time spielt, dann hat man das entweder einfach während der downtime gemacht für effektive Kosten von 0, oder man kriegt es nie fertig, weil während den eigentlichen Abenteuern hat man andere Dinge zu tun. In machen Runden ist es gewollt, dass man so Zeugs einfach unkompliziert während der downtime machen kann, in anderen aber nicht. Auch komplette Heilung zwischen Sessions (was üblicherweise ein positiver Aspekt von comic book time ist) will man vielleicht nicht in *allen* Settings/Systemen/Runden haben.
    -> Längerfristiger Zeitdruck als Charaktermotivation. Wenn die Charaktere wissen, dass sie bis zum Ende des Sommers die Quest fertigbringen müssen, dann ist das mit einem Ingame Kalender natürlich deutlich realer als mit comic book time. In einer comic book time Runde werden sich die Charaktere dann halt *trotzdem* 2 bis 3 Wochen Zeit nehmen für irgendwelche Nebenquests von fragwürdiger Relevanz, ganz einfach weil sie wissen, dass der Zeitdruck in dieser Art von Runde nicht *echt* ist.
    -> Möglicherweise *will* man als Spieler ja, dass der eigene Charakter ein bisschen älter wird im Lauf der Runde, vor allem wenn man den Charakter mit einem Startalter von 15 gebaut hat und sich den Charakter nach zig Abenteuern halt doch etwas älter (erwachsener?) vorstellt. Möglicherweise will man auch als Spielleiter, dass dieser eine NSC der als kleiner Junge vorgestellt wurde halt nicht ewig ein kleiner Junge bleibt.
    -> Wechselnde Jahreszeiten, erfahrenere Charaktere, "historische" Ereignisse und veränderte politische Verhältnisse erzeugen im Kopf der Spieler ganz einfach das Gefühl, dass hier Zeit vergangen ist... Und wenn sich da in einer Kategorie sehr viel getan hat und in einer anderen Kategorie überhaupt nix, dann wirkt das möglicherweise ein bisschen seltsam. In einer eher "comichaften" Runde wie der 20 Arcana ist das auch voll in Ordnung und trägt zur heiteren Stimmung bei, aber wenn der Ton und die Atmosphäre der Runde eigentlich etwas ernster sein sollte, dann sind solche Inkonsistenzen nicht wirklich wünschenswert.



    Beispiel Monsterjäger:


    Ich bin immer noch der Meinung, dass ich mich bei Monsterjäger mit "...Ok, und was hat *dein* Charakter in den vergangenen 8 Ingame-Monaten denn so gemacht?" ganz einfach nicht herumschlagen will, vor allem wenn Spieler dann darauf bestehen, dass ich bestimmte Ereignisse/Themen nicht anschneide, wenn sie grade nicht anwesend sind, beziehungsweise noch hinterher Einfluss auf Ereignisse nehmen wollen, die mit einer anderen Gruppe schon gespielt wurden. "Aber es macht keinen Sinn, dass mein Charakter das einfach ignoriert hat!" will ich da nicht gelten lassen, aber in bestimmten Fällen werde ich ganz einfach keine schlüssige Erklärung finden können, warum dieser Charakter zu diesem Zeitpunkt nicht einfach X machen konnte. Dafür brauche ich wohl das Handwaving-Potential von comic book time. Mit Ingame-Kalender können sich Charaktere theoretisch auch vornehmen, bestimmte Dinge zu bestimmten Terminen zu machen. Was mache ich, wenn der entsprechende Spieler zum entsprechenden Ingame-Termin nicht da ist? Für die anderen von comic book time gelösten Probleme lassen sich alternative Lösungen finden (Runde spielt immer in einer spezifischen Stadt + Umfeld, Charaktere haben Zugriff auf sehr starke Heilungs- und Verjüngungsmagie), aber die wechselnden Spieler machen mir da einfach massiv das Leben schwer. :(


    Ich will aber auch längerfristigen Zeitdruck und eine rudimentäre Form von "Metaplot" in dieser Runde irgendwie darstellen können, und das geht mit comic book time halt sehr schlecht... Und mit wechselnden Spielern kann es auch passieren, dass genau diejnigen Spieler, denen diese Zeitdruck-Quest wichtig ist, zu einer Spontanrunde grad nicht da sind. Wenn diese Spontanrunden-Spieler sich dann mit dem Spontan-Abenteuer ewig Zeit lassen, dann muss ich für die Zeitdruck-Quest Spieler *wieder* das Spielchen mit "...und was hat *dein* Charakter in der Zwischenzeit gemacht?" spielen, und das ist dann möglicherweise ein vollwertiges Parallelabenteuer, bei dem die Spieler vom Spontanrunden-Abenteuer realistischerweise natürlich nicht dabei sein können... Und einem Spieler an einem Vereinsabend zu sagen "Nein, du kannst heute nicht mitspielen weil Realismus!" ist auch blöd.


    Ich hab mir jetzt schon überlegt, ob ich in diesem Setting einfach festlege, dass Monsterjäger immer ein Risiko haben, "zufälligerweise" grade außer Gefecht zu sein, um die wechselnden Spieler auch ingame sinnvoll darstellen zu können... Das würde ich aber gerne vermeiden sofern irgendwie möglich. Hat jemand von euch Ideen, wie ich "wechselnde Spieler" und "langfristige Quests mit Zeitdruck" irgendwie sinnvoll unter einen Hut kriegen kann? Soll ich bei comic book time bleiben und für diese Zeitdruck-Sachen einfach irgendeine Spezialregelung machen, beziehungsweise einfach in Kauf nehmen, dass es sich nicht konsistent anfühlt? Oder soll ich einen konsistenten Ingame Kalender verwenden, und mir irgendeine Möglichkeit überlegen, trotzdem gut mit wechselnden Spielern umgehen zu können?

  • Ich würd es eher allgemein so machen dass bei spontanrunden bzw allgemeinen runden und quests ohne zeitdruck weiterhin comic book time herrscht und erst wenn es durch eine zeitdruck quest kommt diese mit ingame kalender abhandeln und am betreffenden abend dann auch direkt einen folgetermin ausmachen wann diese quest mit den vorhandenen leuten weitergehen soll. Je nachdem kann ein späterer einstieg beim nächsten termin möglich sein oder auch nicht. Das hängt dann von deiner entscheidung als SL ab wie die quest aufgebaut ist. Das heißt jetzt nicht das dazwischen keine spontanrunden statfinden können. Diese sind dann einfach zeitlich von der zeitdruckquest gelöst und eventuelle änderungen in der zeitdruckquest finden erst nach beendigung dieser statt.

  • Ich verwende gerne (solange ich der einzige SL in einer Runde bin) eine Mischform, oder, wenn man so will, einen "entspannten Kalender":
    - Prinzipiell passieren Dinge mit der Zeit auch ohne Zutun der Spieler, aber eher langsam. Und meistens werden entsprechende Entwicklungen angekündigt. Wenn man sich dann zu lange um was anderes kümmert, sind die Dinge eben passiert, ohne dass man darauf Einfluss hatte.
    - Teils gibt es mehrere Plot-Optionen gleichzeitig (abgesehen von Dingen, die Spieler aus eigenem Antrieb machen wollen), von denen sich bewußt nicht alle ausgehen können. Was davon man macht (eine interessante Entscheidung für die Spieler), beeinflusst halt, was weiter passiert. Z.B. beim DuDe, wo der Auftraggeber 3 neue Entwicklungen geschildert hat, die ihm Sorge bereitet haben (gleichzeitige Aktionen im Rahmen des Meisterplans der Gegenseite), aber da nur eine Spielerguppe da war, konnte hlat nur eines erledigt werden (wodurch der langfristige Meisterplan der Bösewichte auch nicht sofort völlig gestoppt werden konnte, aber eben gewisse Defizite verursacht werden, die den Spielern dann helfen können - z.B. hat der Bösewicht bestimmte Truppen oder Power-Ups nicht zur Verfügung).
    - Wenn ein Spieler vorher anmeldet, dass er in einer bestimmten Sache wirklich gern aktiv werden will, bekommt er eine entsprechende Gnadenfrist, auch wenn er dann zweimal nicht da ist oder so. Der Rest der Gruppe wird halt solange mit was anderem beschäftigt und der Endtermin für das betroffene Event im Kalender entsprechend verzögert (auch bei den Off-Screen-Bösewichten muss ja nicht alles glatt laufen).
    - Wenn ein Spieler nicht da ist, fange ich nach Möglichkeit keine neuen Events an, die seinen Charakter direkt betreffen würden.
    - Theoretisch dürfen Spieler auch abwechselnd mehrere Charaktere führen (oder temporär verbündete NSCs übernehmen). Wenn es also mal dazu kommt, dass ein Spieler ein Ding machen möchte, nicht da ist und der Rest solange was anderes macht, was nicht anders als gleichzeitig Sinn machen würde, müsste halt der Rest, wenn der erste Spieler wieder da ist, solange andere Charaktere übernehmen. Das sollte sich aber meistens vermeiden lassen.
    - Theoretisch können Spieler auch Zweitcharaktere verwenden, um mehrere zeitkritische Dinge gleichzeitig anzugehen (oder wenn ihr HJauptcharakter gröber verletzt ist und ausheilen muss) - im Optimalfall haben sie aber stattdessen Vorteile wie Followers auf ihrem Hauptcharakter, also untergebene aber ohnehin von ihnen gesteuerte NSCs, die sie auf sowas ansetzen (und dann eine Weile statt ihren regulären Charakteren spielen) können.


    Prinzipiell lasse ich aber schon gerne Zeit sinnvoll voranschreiten und auch Entwicklungen außerhalb der Spieleraktionen passieren (und jenseits von "ein neues Quest startet mit einem neuen, plötzlich auftauchenden Bösewicht), eben um die Welt glaubhafter zu machen.
    Außerdem sind so viele Charakterentwicklungen glaubhafter. Wenn Spieler z.B. Sachen wie Renown oder Followers steigern, kommen die ja nicht von einer Minute auf die anderen (erst kenn ihn kein Schwein, plötzlich kennen ihn fast alle...). Da hilft längere Downtime zwischen ausgespielten Abenteuern schon (bzw. kann man ja auch lang dauernde Aktionen ausspielen). Abgesehen davon, dass man den SCs außer in besonderen Krisen schon Zeit zum ausheilen geben sollte.
    So kann man dann auch die Auswirkungen der Charakteraktionen auf die Welt schöner beobachten, jenseits von "ein Quest abgehakt, diese Entwicklung ist abgeschlossen, reden wir nicht mehr drüber, nächstes Quest her".

  • Ja, wenn ich mich für Zeitdruck-Quests einfach temporär vom Modell der offenen Runde verabschiede, dann habe ich natürlich viele Probleme nicht. Offene Runden funktionieren im Verein meiner persönlichen Meinung nach aber ganz einfach viel besser als fixe Runden, also würde ich es nach Möglichkeit gerne vermeiden, sich am Ende der Session einen neuen Termin ausmachen zu müssen... Auch wenn das in der bisherigen Monsterjäger-Runde doch oft passiert ist, weil ich das Abenteuer einfach nicht in einer Session fertig gekriegt habe.


    Bei mehreren Plotoptionen von denen nur eine erledigt werden kann stellt sich aus einer Realismus-Perspektive die Frage, warum sich immer exakt eine der Optionen erledigen lässt, egal ob man sich dafür ingame 1 Woche oder 4 Wochen Zeit lässt. Das ist quasi auch eine versteckte Form von Zeitdruck-Quest, wo die Spieler sich einfach konsequenzlos unbegrenzt viel Zeit lassen können, weil sie wissen dass es comic book time ist. Auf der anderen Seite wäre es wirklich, *wirklich* schlecht, wenn ein Spieler vorher ankündigt, bei einer bestimmten Sache dabei sein zu wollen, zu der Session dann aber nicht da ist. Da muss ich dann eigentlich schon fast comic book time nehmen, um das ordentlich hinbiegen zu können, weil das lässt sich halt nicht in allen Fällen sinnvoll aufschieben aus Ingame-Sicht...


    Im Prinzip läuft es darauf hinaus, dass ich in der selben Runde erreichen will, dass es einerseits einen echten Unterschied macht, wie viel Zeit man sich für etwas lässt, aber dass ich gleichzeitig mit wechselnden Spielern halbwegs gut umgehen kann... Und jetzt ist es halt die Frage, ob das überhaupt möglich ist, oder ob ich mich für eines von beiden entscheiden muss. Falls ich mich entscheiden muss, werde ich vermutlich die wechselnden Spieler wählen und einfach akzeptieren, dass Zeitdruck in dieser Runde nicht echt ist. Das würde mich aber schon irgendwie traurig machen...

  • Du kannst doch auch bei wechselnden Spielern grundsätzlich sagen, wenn einmal die volle Spiellerriege durch ist (oder nicht abzusehen ist, dass fehlende Spieler demnächst mal auftauchen) und nie was gegen ein Problem unternommen wurde (egal ob das jetzt eine Session mit allen Spielern oder 2 mit Teilbesetzung oder so), dass das Problem dann ungemindert eintritt.


    Weil die wenigsten Probleme haben ja einen festen Termin (vom "Ritual bei Sonnenfinsternis" etc. mal abgesehen, aber wenns eine den SCs weniger bekannte Konjunktion ist, kann man da auch variieren) sondern gehen eher nach einer Logik wie "sobald ich meine Truppen versammelt habe" ect. Und das kann ja nach Bedarf auch etwas länger dauern, die Spieler kennen den In-game-Stichtag wohl sowieso nicht.


    Insofern kann man auch in Comic Book Time einen Kalender machen, halt eher sessionbasiert. Oder halt ein Limit zusätzlich - wenn man in einer Session für Wochen unterwegs ist, ist es nachher zu spät, aber zwei, drei schnelle Sessions, die jeweils nur ein paar Ingame-Tage dauern gehen sich aus vor Ereignis X.


    Und ich denke, solange Problem X nicht direkt einen Charakter betifft (z.B. dass seine Famile gemeuchelt oder seine erspielte Burg abgefackelt wird oder so), wird es ein Spieler auch verkraften, wenn er mal länger nicht da war und in eine Entwicklng nicht eingreifen konnte. Ist bei "ungetimeten" Quests ja nicht anders.

  • ka_jan

    Hat das Thema geschlossen