GURPS mit Ticksystem

  • Ich wurde von Goofy schon mehrfach nach meiner Meinung zu einem Ticksystem für GURPS gefragt.


    Zur Erklärung: Ein Ticksystem (wie in Splittermond, der "Garde" von fodazd oder dem zweiten erschienenen Hackmaster) ist ein Kampfsystem ohne Kampfrunden, bei dem jede Aktion stattdessen eine bestimmte Anzahl "Ticks" verbraucht, um die der Ausführende auf einem Zeitstrahl nach hinten verschoben wird. Es kommt immer die jeweils vorderste Figur auf dem Zeitstrahl als nächste dran, selbst wenn es die ist, die zuletzt agiert hat.


    Ich hab mich jetzt heute 2 Stunden hingesetzt und einmal einen Vorschlag für ein Ticksystem für GURPS geschrieben, indem ich die bestehenden GURPS-Manöver zerlegt habe und die Teil-Aktionen in Tick-Aktionen umgewandelt habe.

    Und weil alles, was ich rollenspielmäßig so zusammenschreibe, einen möglichst blöden Arbeitstitel braucht, hab ich es GUTS genannt (Generic Universal Tick System).

    Wer es sich ansehen und (hoffentlich) kommentieren möchte, findet es hier.

  • Ok, ich weiß nicht wie hoch hier die Priorität war, die Balance von GURPS zu erhalten, aber einer der großen Vorteile von einem Tick-System ist ja, dass man sich genau NICHT mit diesem All-Out-X und Cautious/Committed-Zeugs herumschlagen muss, sondern dass sich das mehr oder weniger "natürlich" daraus ergibt, wie viele Ticks du in Angriff/Verteidigung steckst. Du nimmst quasi mehr Komplexität bei der Initiative in Kauf, um weniger Komplexität bei den Manövern zu haben (zumindest in der Theorie). Hier hast du halt relativ komplexe Manöver *und* den Ini-Verwaltungsaufwand eines Tick-Systems.

    Ich bin mir außerdem nicht sicher, ob es in der Praxis *wirklich* einfacher ist, wenn man gleich 10 Ticks an Aktionen gleichzeitig durchführt, anstatt dass man sie dann passieren lässt, wenn sie halt laut Tickleiste passieren würden.


    Persönliche Meinung von mir: Wenn ich GURPS auf ein Ticksystem umstellen würde (...was ich nicht würde :P ), dann würde ich mich nicht so sehr an der ohnehin ein bisschen fragwürdigen Balance von GURPS festhalten, sondern die Änderungen durchaus ein bisschen tiefgehender machen.

  • Hab ich ja auch explizit geschrieben, dass ich als ersten Ansatz einfach mal die GURPS-Manöver möglichst detailgetreu umgesetzt habe. Damit sollte einmal relativ klar bewertbar sein, ob meine veranschlagte Anzahl Ticks für Angriffe, aktive Verteidigung etc. grundlegend vernünftig ist.

    Ich hab dann am Schluss auch geschrieben, dass es derzeit vermutlich deutlich zu viele Manöver sind, von denen viele keinen wirklichen Mehrwert bieten. Das kann man schon GURPS an sich ankreiden, aber in der Tick-Version wird das noch viel eklatanter. Also wäre ich auch dafür, das Set zu reduzieren. Auch wegen dem von dir genannten Vorteil eines Tick-Systems, dass man eben mit weniger Manövern mehr machen kann.


    Ob der 10-Tick-Puffer sinnvoll ist, ist ebenfalls fraglich. Er ist halt nötig, wenn man verschiedene Manöver präzise simulieren will wie All-Out-Attack (Double oder Feint & Attack) oder Move and Attack. Wenn einem diese Manöver aber egal sind (und vermutlich sollten sie das sogar sein), kann man auch den Puffer weglassen.

    Dann ergibt sich halt unter Umständen, dass man z.B. nicht "chargen" kann, also hinbewegen und angreifen bevor einen der Gegner hauen kann (sofern er keine bereitgehaltene Aktion hat). Aber das muss ja nichts schlechtes sein, es ist dann halt einfach anders (z.B. man sieht dann anhand der Tickleiste, ob einem der Gegner eine reinhauen könnte, nachdem man sich zu ihm hinbewegt hat aber bevor man selbst zuhauen kann).


    EDIT: Wenn man die Movement-Aktionen etwa doppelt so teuer macht, könnte man auch auf das fragwürdige Konstrukt mit dem Bewegungs-Kontingent verzichten. Dann hat man halt den Effekt, dass man sich sehr verwundbar macht, wenn man auf den/die Gegner zu geht. Weil man ihnen ein großes Angriffsfenster gibt, das noch größer wird, wenn man sich verteidigen muss. Der Effekt wäre wohl, dass die Leute immer nur stückweise aufeinander zugehen um nicht zu großen "Tick-Leerlauf" zu produzieren.
    Dann müsste man vermutlich auf sowas wie Step oder Retreat ganz verzichten, weil das sonst entweder mit den Tickkosten zu unnütz wird oder gegenüber regulärer Bewegung zu gut wird.

  • Ja, wie man ein Tick-System idealerweise mit Bewegung und hier vor allem mit Move + Attack kombiniert ist soweit ich das sehe halt auch noch ein relativ offenes Problem. In Splittermond gibt's da halt den Sturmangriff, der eine normale Attacke mit einer Bewegung kombiniert, aber ich hab selber noch in Erinnerung, dass sich das ein bisschen komisch angefühlt hat.

    Realistisch betrachtet können eigentlich beide Kämpfer relativ gleichzeitig mit ihrem Angriff beginnen, wenn sich jemand in Nahkampf-Reichweite bewegt, egal wer von beiden das ist. Leute mit höherer Waffen-Reichweite vielleicht ein bisschen früher. Zumindest sofern beide vorher nix anderes zu tun hatten. Und wenn doch, müsste man halt eine Möglichkeit finden, das irgendwie zu synchronisieren. Und das ist halt auch wieder komplex potentiell.

  • Man könnte auch sagen, dass die Bewegung erst als abgeschlossen gilt, wenn der sich Bewegende wieder drankommt. Und dazwischen gilt er auf halben Weg oder so.

    Dann kommen halt vielleicht wieder seltsame Effekte mit Waffenreichweite zu tragen. Streng genommen müsste man halt, wenn es fraglich wird, ausrechnen, wo, gemessen an den bisher zurückgelegten Ticks, der sich bewegende Charakter auf seinem geplanten Weg mittlerweile gekommen ist. Also ob er zu Tick X gerade in Deckung, bereits in Reichweite einer Stangenwaffe etc. ist. Ist halt etwas aufwändig, aber auch nicht super-komplex. Also vermutlich besser, als die Alternative. Vor allem, wenn man es eh nur in besonderen Situationen braucht.

  • Sich bei Bedarf auszurechnen, wo genau ein Charakter zu einem bestimmten Tick ist während der Bewegung *klingt* zwar nicht besonders aufwändig, aber ich würde das nicht unterschätzen. Und ich würde auch nicht unterschätzen, wie häufig das in der Praxis vorkommt. Müsste man halt ausprobieren.

  • Bei nochmaliger Überlegung bin ich mir auch nicht sicher, wie aktive Verteidigung im Vergleich zu Angriff tickmäßig zu bewerten wäre. Die aktuellen Werte (Verteidigung Basis 3, Angriff Basis 4) funktionieren vielleicht für ein Duell halbwegs. Vor allem, wenn Charaktere noch keine so tollen Werte haben und auch gelegentlich daneben hauen und man nicht immer verteidigen muss.

    Aber wenn man gegen mehrere Gegner kämpft, die gut genug sind, dass relativ oft beide treffen (Wert 12 kann man von halbwegs kampferfahrenen Gegnern schon erwarten und da wär das der Fall), würde man derzeit enorm schnell in reine Verteidigung gedrängt, so dass man nie zum zurückhauen käme. Vor allem, wenn man halbwegs sichere Verteidigungsoptionen wählen will wie Retreat (die Verteidigung steigt in GURPS ja deutlich langsamer als der Angriff).

    Derzeit müsste man sich also in solchen Fällen aussuchen, von wem/wie viel man sich hauen lässt, weil sonst hat man gleich verloren, weil nur mit Paraden gewinnt man nicht... Und es sollte in einem eher realistisch angelegten System durchaus so sein, dass man alleine gegen 2 Gegner ordentliche Probleme bekommt, selbst wenn man ein gutes Stück besser ist als jeder der Gegner. Aber so völlig aussichtslos sollte es dann doch nicht sein.

    Das Problem hat man halt in Standard-GURPS weniger, weil man da zwar Abzüge auf wiederholte Verteidigung bekommt (außer auf Dodge ohne Optionalregeln), aber einen der wiederholte Verteidigungsversuch an sich nichts kostet (man kann sich je nach Manöver halt entweder beliebig oft verteidigen oder gar nicht). Das ist in einem Ticksystem aber halt plötzlich sehr anders. Und hier muss auf jeden Fall noch nachjustiert werden.

  • Ich hab da noch ein bisschen weiter überlegt, und bin zu dem Schluss gekommen, dass eine direkte Umsetzung von GURPS hier nicht wirklich funktionieren kann. Solange man nicht genug DR hat, um ankommende Attacken einfach hinzunehmen, wird man einfach zu schnell in reine Verteidigung gedrängt, weil jede Verteidigungsaktion Ticks braucht.

    Ein Schrauben an der Tick-Anzahl von aktiver Verteidigung kann das Problem zwar verschieben, aber nicht lösen. Das Prinzip der kostenpflichtigen Abwehr an sich stellt einfach einen zusätzlichen Kraft-Multiplikator auf Überzahl dar, der im regulären GURPS nicht (bzw. über multiple Parry penalties nur sehr eingeschränkt) vorhanden ist.


    In Splittermond funktioniert das ganze besser, weil

    a) man einen passiven Verteidigungswert hat, der mit der Kampferfahrung eines Charakters mitsteigt. Ein guter Kämpfer braucht gegen mehrere schwache Gegner also (in der Theorie, perfekt balanciert ist es auch nicht gerade) nicht öfter aktive Verteidigung machen als gegen einen einzelnen starken, weil die halt die passive Verteidigung nicht so oft schlagen (und aktive Verteidigung erhöht für einen Schlag diesen passiven Wert statt Angriffe komplett zu annullieren wie in GURPS - die unparierbaren Kritischen hat man in SpliMo also implizit mit drin bei guten Angriffswürfen, weil auch eine gut gelungene aktive Verteidigung dann oft nicht ausreicht).

    b) man mehr einstecken kann als in GURPS. In SpliMo hat man 5 Stufen HP-Leisten, und jede sollte zumindest einen normalen Schlag absorbieren, eher 2 bei guter Konstitution und eventuell ein bisschen Schadensresistenz. 1 oder 2 der 5 Stufen zu verlieren ist auch noch nicht die Welt, so schlimm sind die Abzüge da noch nicht. Bei GURPS ist man ohne gute Rüstung (die in Low-Tech-Settings dafür fast unverwundbar machen kann) nach 2 Treffern eines halbwegs bewaffneten normalen Gegners auch als zäherer Bursche wahrscheinlich schon so weit, dass man jede Runde würfeln muss, ob man KO geht.


    An den HP zu schrauben kann in GURPS denke ich nicht die Lösung sein, weil das System will ja, dass Kampf und Verletzungen gefährlich sind und nicht, wie etwa in D&D, einfach als irrelevante Kratzer abgetan werden ("Axtschläge in die Brust? Vor dem fünften frag ich nicht mal nach Heilung!").

    Also müsste man vermutlich irgendeine Form von passiver Verteidigung einführen. Aus Effizienzgründen auch nicht im Sinne von GURPS 3, wo die auch gewürfelt wurde und effektiv einfach einen Teil der aktiven Verteidigung ausgemacht hat. Zudem Passive Defense in GURPS 3 für sich allein praktisch eh nie gereicht hat, womit sich am Problem nichts ändern würde.

    Stattdessen bräuchte man wohl eine Art Erschwernis auf gegnerische Angriffe. Und anders als aktive Verteidigung jetzt müsste die wohl vergleichbar schnell steigen wie die Angriffsfertigkeit, weil ansonsten verschiebt sich die Balance wieder stark mit der Kompetenz der Kontrahenten, würde also z.B. bei einem Kampf zwischen Skill-12-Leuten funktionieren aber zwischen Skill-16-Leuten dann nicht mehr.


    Noch eine Überlegung:

    In SpliMo skaliert der Angriffsschaden (besonders bei Waffen mit Merkmal Wucht) mit der Anzahl der Erfolgsgrade, während bei GURPS, abgesehen von den sehr seltenen Kritischen, sowohl Angriff als auch Parade binär sind. Solange man also nicht bei GURPS aufwändig die Trefferzone auswürfeln würde (oder mit regelmäßigen Trefferzonen-Ansagen spielt), bevor der Getroffene sich für eine aktive Verteidigung entscheidet, weiß man nicht, ob man einen Angriff mit hoher Wahrscheinlichkeit wegstecken kann oder auf jeden Fall abwehren sollte.

    Zumal der Schaden bei GURPS bei durchschnittlicher Stärke und niedriger DR ziemlich unvorhersehbar variieren kann. 1d6 imp kann am Torso von 2 bis 12 Schaden machen bei normalerweise 10 HP... von einem Kratzer (16%) bis zu einem Fight-Ender (33%) ist also alles drin, ohne dass man es vor dem Schadenswurf ahnen kann.

    Bei SpliMo ist da nach dem Angriff schneller abschätzbar, ob man den Angriff parieren sollte oder lieber einfach hinnimmt und sich die Ticks spart. Zumal die aktive Verteidigung immer gleich viel kostet, die Ticks für den Angriff aber (in etwa) mit dem verursachten Waffenschaden steigen. Das hat zwar wenig realistische Logik, führt aber dazu, dass man Niedrig-Schaden-Angriffe vielleicht nicht abwehren will, um nicht zu sehr in die Defensive zu geraten, während ein Abwehrversuch gegen einen Hoch-Schadens-Angriff tickmäßig im Vergleich zum nächsten Schlag des Gegners kaum ins Gewicht fällt.


    Fazit: Ein Tick-System für GURPS an sich ist nicht schwierig und erfordert keine massiven Umbauten des Systems. Aber wenn man ein GUTES Ticksystem für GURPS will, das es auch wirklich wert ist, schaut das gleich ganz anders aus...

  • Persönliche Meinung von mir: Es ist jetzt nicht *unglaublich* schlimm, wenn Überzahl durch ein Ticksystem stärker wird. Wenn man stattdessen die Penalties für zusätzliche Defenses streicht, wäre das immer noch akzeptabel (für GURPS-Verhältnisse halt). Bei 4 Ticks Angriff und 3 Ticks Verteidigung ist es halt schon sehr extrem, aber wenn du das auf 5 Ticks Angriff und 2 Ticks Verteidigung verschiebst oder so, dann bräuchte man schon 3 Gegner, um komplett in die Defensive gedrängt zu sein. Und ich glaube GURPS ist kein System, wo man gegen 3 kompetente Gegner als ungerüsteter Einzelkämpfer eine Chance haben muss.

    Dass die Skalierung von Attack vs. Defense in GURPS nicht wirklich funktioniert ist aber ein eh schon lange bekanntes Problem. Das wird halt durch ein Tick-System allein nicht gefixed, und im Tick-System fällt es einfach mehr auf. Aber ja, wenn man ein GUTES Tick-System in GURPS haben will, dann ergeben sich da natürlich ein paar Probleme dadurch. :P

  • 2/5 hab ich auch mal überlegt, aber ich bin mir nicht sicher, ob das nicht noch zu wenig ist.

    Die Frage ist auch, möchte man ein eher offensives oder eher defensives System haben? GURPS will ja eher offensiv sein. Das sieht man einerseits an der 2:1 skalierung Angirff gegen Verteidigung (und man muss schon gescheit investieren, um einen Verteidigungswert in "verlässliche" Gefilde von 12+ zu bekommen, vor allem beim allmächtigen Dodge). Andererseits auch in der Effektivität von z.B. All-Out Attack gegen All-Out Defense.

    Ein Standard-Build, den ich bei vielen GURPS-Spielern sehe, ist max DR und All-Out Attack (Double) Spam. Gegen alles außer Super-hard-hitters ist der verdammt effektiv, und es hat auch noch den zusätzlichen Vorteil, dass der Kampf nciht ewig dauert. Was ja wohl auch mit ein Grund ist, die aktive Verteidigung deutlich niedriger zu halten als die Offensive.

    Eine Tick-Verschiebung zugunsten von Verteidigung bewirkt halt auch, dass man lieber verteidigt als Angriffe schluckt und sich damit alles etwas mehr in die Länge zieht. Vor allem bei auf hohe Verteidigung ausgelegten Kämpfern.


    Ticksysteme sind außerdem schwer in ihren Auswirkungen zu berechnen. Weil nehmen wir Beispiel 1 Skill 16 SC gegen 2 Skill 12 Gegner, alle ohne Rüstung und mit 1d6 imp (z.B. Str 11 broadswords oder rapiers).

    Sagen wir, beide Gegner sind auf Tick 1 erstmalig dran und der SC auf Tick 2 (weil er zu den Gegnern hingegangen ist oder so). Falls jetzt beide Gegner treffen (ca. 52% Chance) und der Charakter zweimal verteidigt (weil er schon bei einem Treffer auf 0 oder drunter landen könnte; mit Parry 11 ist eine Parade zwar nicht ganz unwahrscheinlich aber auch nicht gerade verlässlich) kommen alle erneut auf Tick 6 dran, und der SC wohl wieder als letztes (weil die Angriffe vor der Verteidigung kommen und die Gegner damit wohl zuerst am Tickstrahl verschoben werden). Dann können die Gegner wieder zweimal angreifen, bevor der SC, wenn er noch steht (nicht sehr wahrscheinlich), einmal zurückschlagen kann (und das vermutlich mit Shock penalties), und zwar auf Tick 10, während die Gegner vor Verteidigung wieder beide auf Tick 11 drankämen. Kein sehr schönes Szenario für unseren SC.

    Auf der anderen Seite, wenn der SC auf Tick 1 drankommt und die Gegner erst auf, sagen wir, Tick 4. Der SC kann angreifen, trifft mit Skill 16 ziemlich sicher (da könnte er auch eine Stufe Deceptive oder einen Vital target machen und noch recht verlässlich treffen), und wenn der Gegner nicht verteidigt (bei Skill 12 Basisparade 9, eventuell 8 durch deceptive) kriegt er ziemlich sicher (84%) eine -4 Schock penalty auf seinen nächsten Angriff, falls er überhaupt noch steht (major wound knockdown&stun, KO auf 0 oder weniger HP...). Dann kommt Gegner 1 auf Tick 4. Falls er verfehlt, könnte der SC auf Tick 6 wieder vor seinem vermutlich angeschlagenen Gegner agieren und den, falls er noch steht, abfertigen. Falls nicht, wäre der trotzdem in seiner Gefährlichkeit massiv reduziert. In diesem Szenario hat der SC also gute Chancen, den Kampf zu gewinnen. Jedenfalls massiv besser als in Szenario 1.


    Wodurch ersichtlich wird: Es hat extremen Einfluss auf den anzunehmenden Kampfverlauf, auf welchen Ticks die Kontrahenten, sobald sie einander angreifen können, erstmalig drankommen. Jedenfalls deutlich mehr als die Kampfreihenfolge innerhalb einer Runde bei GURPS ausmachen würde. Da würde es wohl drauf rauslaufen, dass alle Beteiligten veruschen, mit Move etc. so herumzumanövrieren, dass sie mit möglichst großem Tick-Unterschied erstmalig zuschlagen können. Und das würde Kämpfe wohl auch relativ mühsam machen.

  • Ja, das stimmt natürlich alles. Ich würde mir halt folgende Fragen stellen:

    Inwiefern wird das System "defensiver", wenn Verteidigung jetzt was kostet, anstatt (wie bisher) quasi gratis zu sein? In Vanilla-GURPS stellt sich die Frage gar nicht, ob man lieber verteidigt als Angriffe schluckt, weil Verteidigung kann man ja so wie so machen... Außer eben wenn man All-out-Attacks macht. Und meiner persönlichen Meinung nach ist es nicht besonders gut, wenn All-out-Attacks die effektivsten Aktionen sind.

    Ist es denn *schlecht*, wenn die Anfangs-Initiative tatsächlich relevant ist? Meiner persönlichen Meinung nach nein. In einem Tick-System, wo aktive Verteidigung Ticks kostet ist Initiative natürlich *ungleich* stärker als in den Runden-Systemen, die wir gewohnt sind. Aber in diesen Runden-Systemen ist Initiative oft ziemlich irrelevant. Ich würde diese Änderung daher eher positiv sehen.

  • Ich hab jetzt einmal das Dokument im Ursprungspost um eine Version 2 erweitert, bei der ich versuche, auf die meisten bisher angeschnittenen Probleme einzugehen. Ich denke, die sollte schon deutlich besser funktionieren, auch wenn sie sich in einigen Bereichen weiter vom Standard-GURPS entfernt. Aber das muss ja nicht schlecht sein, und ist potenziell sogar eine Verbesserung (auch abseits der Notwendigkeiten eines Tick-Systems).

  • Version 2 gefällt mir viel besser als V1. Ich hab noch meine Spielefestcharaktere. Ich würde gerne probieren, wie sich das spielt mit denen.

    Mögen die Fantasielosen vor dem Rollenspiel zittern. Die Rollenspieler haben nichts zu verlieren als ihre Langeweile. Sie haben viele Welten zu gewinnen. Rollenspieler aller Länder, vereinigt euch! (Legolas Marx, Phantastisches Manifest)

  • Zu einem Test bin ich noch nicht wirklich gekommen. Ich meister derzeit 2 andere Runden (und spiel eine), und so ein Test dauert doch etwas.

    Bisher ist bei mir also alles reine Theorie.

  • Muss kein komplettes Abenteuer sein. Einfach einen Kampf auszocken: 3 der Mustercharachtere gegen 4 Standard-Fighter-Nuppler oder so.

    Mögen die Fantasielosen vor dem Rollenspiel zittern. Die Rollenspieler haben nichts zu verlieren als ihre Langeweile. Sie haben viele Welten zu gewinnen. Rollenspieler aller Länder, vereinigt euch! (Legolas Marx, Phantastisches Manifest)

  • Ich mach jetzt mal ein paar schnelle Kampftests (grad in der Arbeit nicht allzu viel zu tun).

    Erste Erkenntnis: Die Dauer von Shock oder Feint gehört noch geregelt. Ich probiere einfach mal, es 10 Ticks nach dem Treffer halten zu lassen. Dann muss man sich natürlich merken, wann es vorbei ist (mehr GM bookkeeping), und dann kann der getroffene natürlich einfach warten, bis es vorbei ist, und dann tickgenau zuschlagen (solang er nicht kurz vor Ende verteidigen muss), aber vermutlich ist das handhabbar.

    Zweite Erkenntnis: Auf 0 oder weniger HP immer auf HT würfeln zu müssen, ob man noch steht, penalisiert derzeit schnelle Aktionen (weil man dann öfter würfeln muss).

  • Hab doch noch was reinbekommen in der Arbeit heute, bin also mit meinem ersten Testdurchgang noch nicht fertig.

    (Wie soll man auch etwas Gescheites erledigen wenn man Arbeit hat... ;))


    Mal vorneweg mein Test-Setup: Ich hab 4 Seiten, von denen ich vorerst jede Paarung einmal gegeneinander antreten lasse (bisher hab ich 3 der 6 Kämpfe ausgewürfelt, Rest kommt morgen).


    2 Banditen (Stats identisch)

    ST 11, HT 11; HP 11, Basic Speed 5.25, Move 4; DR 2

    Axe: Skill 11, 1d6+3 cut, R 1, Block 10 [Skill 10]


    Fechter

    ST 11, HT 12; HP 11, Basic Speed 6.25, Move 6; DR 0

    Rapier: Skill 16, 1d6 pi, R 1-2, Parry 12F / Dodge 10 [Combat Reflexes]


    Ritter

    ST 12, HT 12 [High Pain Threshold]; HP 14, Basic Speed 6.00, Move 2; DR 6

    Mace: Skill 14, 1d6+5 cr, R 1, Block 11 [Skill 12]


    Barbar

    ST 13, HT 13 [Fit, High Pain Threshold]; HP 16, Basic Speed 6.00, Move 4; DR 2

    Greataxe: Skill 13, 2d6+2 cut, R 1-2*, Parry 9U / Dodge 9; Unready


    Kampfstart: 10 Meter Entfernung, freie Fläche, Banditen starten nebeneinander

    Regeln: keine Trefferzonen, andere Tricks erlaubt (Deceptive Attacks, Armor Chinks etc.)


    Es werden Wetten angenommen, welche der 4 Seiten gegen welche der 3 anderen gewinnt oder verliert... :P

  • Auch wenn es keine Wetten gegeben hat, hier einmal die Ergebnisse (angegeben die jeweilige Gewinnerseite und auf welchem Tick es zu Ende war):


    Fechter vs Banditen: Fechter mit 11 HP, Tick 43

    Fechter vs Ritter: Ritter mit 14 HP, Tick 125

    Fechter vs Barbar: Barbar mit 14 HP, Tick 36

    Ritter vs Banditen: Banditen mit 6/11 HP, Tick 64

    Ritter vs Barbar: Barbar mit 8 HP, Tick 74

    Barbar vs Banditen: Banditen mit KO/4 HP, Tick 52


    Erkenntnisse:

    * Ich habe versucht, immer alle möglichst taktisch zu spielen.

    * Die meisten Kämpfe wurden eher durch einzelne gute oder schlechte Würfe entschieden und hätten auch anders ausgehen können.

    * Bewegung und Positionierung scheint wesentlich wichtiger zu sein als in GURPS, die verschiedenen Bewegungs-Optionen und Long Attack waren teilweise ziemlich wichtig fürs gefinkelte herummanövrieren.

    * Präzises und gezieltes Timing (inklusive guter Wahl der Angriffs- und Verteidigungskosten) kann teilweise sehr entscheidend sein - der Fechter hat in seinen zwei verlorenen Kämpfen z.B. beide Male den entscheidenden Treffer kassiert, als/weil er nicht Retreaten konnte durch wiederholte Gegner-Angriffe.

    * Bisher hab ich noch keine wirklich dominante Taktik erkennen können; die Kombination aus hoher DR und Block, ergänzt durch High Pain Threshold, beim Ritter ist z.B. grundsätzlich sehr stark (der Fechter konnte sich entscheiden, ob er Armor Chinks angreift und am Block scheitert oder ob er Deceptive angreift und an der DR scheitert), aber der niedrige Move durch Belastung hat sich als gravierender Nachteil erwiesen.

    * Die Greataxe ist immer noch eine ziemlich schlechte Waffe, aber die hab ich absichtlich genommen, um zu testen, wie sich das Ticksystem hier auswirkt; und ich muss sagen, sie ist deutlich besser geworden als in GURPS (auch wenn Einhandaxt und Schild oder verschiedene Polearms immer noch klar besser wären); auf einem Punkt Reichweite mehr zuschlagen zu können (auch wenn man das im Ready schon festlegen muss) ist hier definitiv ein relevanter Vorteil.

    * Die meisten Angriffe wurden mit deutlich erhöhter Tickzahl geführt. Schneller Angriffs-Spam ist, in Fällen, wo er überhaupt funktionieren kann, eine ziemliche Glückssache. Immerhin hatten hier fast alle Kämpfer relevante DR oder ausreichend gute Defense (auch danke der leistbaren Full Defense), dass Strong Attacks und/oder Deceptive Attacks fast notwendig wurden, wenn man sich nicht auf sehr große Zufälle (gescheiterte Abwehr bei gleichzeitig hohem Schadenswurf) verlassen wollte; die Angriffs-Optionen scheinen also definitiv sinnvoll und taktisch wichtig zu sein.


    Fazit: Vermutlich ein halbwegs attraktives System für Taktik-Fans, für "brain off and kick ass" Spieler sicher weniger - solange man nicht extrem hochgezüchtete Kampfcharaktere gegen durchschnittlichere Gegner hat , scheint Taktik einfach zu wichtig zu sein. Der Glücksfaktor ist aber noch hoch genug, dass nicht automatisch der bessere Taktiker gewinnt, also für Hardcore-Taktiker vielleicht auch nicht das richtige.
    Insgesamt vermutlich also am besten geeignet für taktisch mittelmäßig anspruchsvolle aber nicht verbissene Spieler?

  • Hm. Hast Du die Paarungen auch mit dem Rundensystem gemacht? Der Vergleich wäre nicht uninteressant, finde ich.

    Mögen die Fantasielosen vor dem Rollenspiel zittern. Die Rollenspieler haben nichts zu verlieren als ihre Langeweile. Sie haben viele Welten zu gewinnen. Rollenspieler aller Länder, vereinigt euch! (Legolas Marx, Phantastisches Manifest)

  • Hm. Hast Du die Paarungen auch mit dem Rundensystem gemacht? Der Vergleich wäre nicht uninteressant, finde ich.

    Hatte ich noch nicht, hab ich jetzt weil gutes Argument.


    Fechter vs Banditen: Banditen mit 7/11 HP, Zug 5

    Fechter vs Ritter: Ritter mit 8 HP, Zug 7

    Fechter vs Barbar: Fechter mit 4 HP [im knockdown&stun], Zug 8

    Ritter vs Banditen: Ritter mit 9 HP, Zug 9

    Ritter vs Barbar: Barbar mit -21 HP, Zug 12 [allerdings fehlerhaft, hab 2x auf unready vergessen]

    Barbar vs Banditen: Barbar mit 8 HP, Zug 4


    Wie erwartet (und aus langer Erfahrung bekannt) hat hier der Ritter mit DR und AoAs bzw Steps zum repositionieren ziemlich gut abgeschnitten. Der Kampf gegen den Barbaren war im Grunde nur "wer verhaut zuerst seinen Consciousness roll", ohne den Fehler hätte der Ritter wohl noch deutlich mehr HP gehabt als der Barbar (aber noch leicht negativ und hätte am Ergebnis nichts geändert).

    Die Zweihandaxt ist hier ein deutlich stärkerer Nachteil als im Ticksystem.

    Insgesamt war das ganze ein viel direkterer Schlagabtausch als im Ticksystem. Zwar auch mit etwas taktieren, aber es sind weniger Kombinationen möglich, z.B. für den Fechter fallen offensivere Optionen oft einfach flach weil er voll auf seine active Defense angewiesen ist.

    Viel mehr Attacken waren unmodifiziert und einfach Richtung "hoffen wir mal, dass der Gegner nicht verteidigt", weil bis auf den Fechter und Ritter kann sich keiner ein Deceptive auf seinem normalen Angriff leisten ohne seine Trefferchance zu sehr zu droppen.

    Es ist auch schwieriger, niedrige Bewegung eines Gegners auszunützen.

    Der Fechter hatte wie üblich eien Haufen Angriffe, die in der DR des Gegners hängengeblieben sind. Was immer frustierend ist für Spieler und im Ticksystem gegen geringe DR viel leichter zu vermeiden ist (weil Angriffe mit mehr Schaden nicht so suizidär sind).


    Dass der Barbar der einzige ist, der trotz mieser Waffe in beiden Systemen 2 Kämpfe gewonnen hat, liegt großteils daran, dass er öfters Glück mit verhauten Gegnerparaden in Kombination mit hohen Schadenswürfen gehabt hat (z.B. im Standard-Kampf gegen die 2 Banditen, die er beide in einer Runde geoneshottet hat).